Bremen: „Ariadne auf Naxos“, Richard Strauss

Die Oper Ariadne auf Naxos von Richard Strauss ist nicht nur ein Stück über das Theater, über Künstler und Primadonnen, sogar über das Verhältnis von Kunst und Geld, sondern betritt auch den schmalen Grat zwi­schen antikem Opernstoff und Commedia dell’arte. Die vom Libretti­sten Hugo von Hofmannsthal kunstvoll gehaltene Balance und gegen­seitige Durchdringung dieser beiden Welten findet ihre Korrespon­denz in der genialen Musik von Richard Strauss, dessen Wunder-Par­titur nur eine kleine Orchesterbesetzung von 36 Musikern vorsieht. Diese Partitur, eine Symbiose aus großer Oper und Buffa, gehört mit ihren filigranen, kammermusikalischen Strukturen, aber auch mit dem zu rauschhaften Wohlklang gesteigerten Finale zum Kunst­vollsten und Inspiriertesten, was Strauss je geschrieben hat.

(c) Jörg Landsberg

Die Inszenierung von Frank Hilbrich ist von einer sehr eigenwilligen, aber durchweg ästhetischen Handschrift geprägt. Das Vorspiel findet in einem weiß getünchten Raum (Bühnenbild von Sebastian Hannak) mit zunächst einem, später mehreren Flügeln statt, aus denen die Primadonna, der Tenor und Zerbinetta entsteigen. Der wuschelköpfige Komponist und sein Double wuseln eifrig herum. Aus dem Haushofmeister macht Hilbrich einen Hausmeister (Christoph Heinrich) und einen Hofmeister (Christian Bergmann) – zwei dicke Knallchargen, die ihren Text immer abwechselnd sprechen. Sie wirken ein bisschen wie Fafner und Fasolt aus Wagners „Rheingold“, nur eben im Comedian-Format. Sie stehen in Kontrast zu dem heiligen Ernst, mit dem der Komponist und der Musiklehrer ihr Werk zunächst verteidigen. Erst als Zerbinetta und der Komponist sich bis zu einem leidenschaftlichen Kuss annähern, ändert sich die Perspektive. Alles geht plötzlich in Flammen auf: Die Partitur, die Flügel und auch der Komponist selbst.

Zu Beginn der eigentlichen Oper blickt man auf verkohlte Räume, angesengte Notenständer und die Reste der Notenblätter. Die Primadonna schlüpft in die Rolle der Ariadne. Zusammen mit den anderen lässt sie, wie Phönix aus der Asche, nun ein neues Kunstwerk entstehen, das antike Tragödie und Commedia dell’arte zusammenführt. Alle spielen schließlich (stumm) auf den mittlerweile acht, teilweise übereinander aufgetürmten Flügeln, vereint im Dienst an der Kunst. Ariadne und Bacchus erklimmen diesen Klavierberg und steigen quasi in den Olymp auf.

(c) Jörg Landsberg

Hilbrichs Regie kann die Balance zwischen Tragödie und Komödie gut umsetzen. Die tänzerischen Aktionen der Komödiantentruppe haben Witz und Charme, die Trauer von Ariadne hat berührende Tiefe. Und die lebenslustige Zerbinetta gestattet sich auch einen kleinen Schwips. Insgesamt ist die Inszenierung bei aller Eigenwilligkeit sehr gelungen.

Dirigent Stefan Klingele ist nach 15 Jahren ans Bremer Theater, nun als Musikdirektor, zurückgekehrt. Seine Wiedergabe der Ariadne auf Naxos ist sehr ausgewogen. Er entwickelt das Parlando-Geflecht mit kammermusikalischer Delikatesse und sorgt für kräftige Farben. Auch das  kraftvoll-hymnische Finale wird von ihm und den Bremer Philharmonikern opulent ausmusiziert. Das Vorspiel wird von Nadine Lehner als Komponist beherrscht. Sie singt mit einer Intensität, als ging es um ihr Leben. Eine tolle Leistung.

(c) Jörg Landsberg

Daneben lässt auch Elias Gyungseok Han als Musiklehrer und Harlekin mit strömendem Bariton einen nachhaltigen Eindruck. Nerita Pokvytytė ist eine ansprechende Zerbinetta. Ihr munteres Spiel bezaubert und ihre virtuose Arie „Großmächtige Prinzessin“  gelingt mit nur wenigen Abstrichen. Sarah-Jane Brandon kann die verletzten Gefühle der Ariadne mit dunklen, glutvollen Farben und viel Empfindungstiefe vermitteln. Die stimmliche Entwicklung von Christian-Andreas Engelhardt ist bemerkenswert. Die heldische Partie des Bacchus erfüllt er mit Kraft und Glanz. In weiteren Partien sind u. a. Luis Olivares Sandoval (Scaramuccio), Ian Spinetti (Brighella), Stephen Clark (Truffaldin), Constanze Jader (Dryade), Elisa Birkenheier (Najade) und Maria Martin Gonzalés zu hören. 

Wolfgang Denker, 30. Januar 2023


Ariadne auf Naxos
Richard Strauss

Theater Bremen

Besuchte Premiere am 29. Januar 2023

Inszenierung: Frank Hilbrich
Ausstattung: Sebastian Hannak
Musikalische Leitung: Stefan Klingele
Bremer Philharmoniker

Weitere Vorstellungen: 5., 14., 19., 24. Februar, 5., 9., 17. März 2023