Besuchte Vorstellung am 5. Oktober 2019, Premiere am 7. September 2019
Kompakt
Allzu oft kann man Leos Janacéks Oper „Kátja Kabanová“ in unseren Opernhäusern nicht erleben; das ist nicht ganz einzusehen, ist sie doch spannungsreiches Musiktheater bis zum bitteren Ende. Dazu enthält sie wunderbare, ungemein dichte, sprachmelodisch durchsetzte Musik, die von der (platonischen) Liebe des Komponisten zu der fast 40 Jahre jüngeren Kamila Stösslova inspiriert ist. Dass es „Kátja Kabanová“ schwer hat, sich im Spielplan eines mittleren Hauses durchzusetzen, zeigte sich in der von uns besuchten dritten Vorstellung, als das Opernhaus nur etwa zu einem Drittel besetzt war. Aber es ist schließlich Verpflichtung der subventionierten Theater, im Laufe der Spielzeiten die gesamte Bandbreite des Musiktheaters zu präsentieren, und Janacéks Werke wie „Kátja Kabanová“ gehören unbedingt dazu.
Die Oper beruht auf dem fünfaktigen Schauspiel „Gewitter“ von Alexander Ostrowski, das Janacék in dem von ihm selbst verfassten Libretto stark gekürzt und auf eine Spieldauer von weniger als zwei Stunden komprimiert hat. Zum Inhalt: Eine Kleinstadt an der Wolga wird für Kátja, die mit ihrem labilen Ehemann Tichon und dessen tyrannischer Mutter Kabanicha, einer reichen Kaufmannswitwe, zusammen lebt, zum Gefängnis. Hier lebt sie in einer Welt voller Abhängigkeiten und unerfüllter Sehnsüchte. Der ebenfalls im Haushalt lebenden Varvara, der Pflegetochter der Kabanicha, erzählt Kátja, dass sie Boris, den Neffen des Kaufmanns Dikoj, heimlich liebt. Als Tichon eine Geschäftsreise antritt, kann sie ihrer Sehnsucht nicht mehr widerstehen und trifft sich mehrfach mit Boris, der ihre Liebe erwidert. Doch Tichon kehrt verfrüht zurück. Ein Gewitter führt schließlich alle Beteiligten in einem verlassenen Gebäude zusammen, wo die verzweifelte Kátja vor Ehemann und Schwiegermutter ihren Fehltritt beichtet. Varvara und ihr Geliebter, der Lehrer Kudrjás, entfliehen der dörflichen Enge, indem sie ihr Glück in Moskau suchen. Wenige Tage später wird Boris von seinem Onkel in eine ferne Handelsniederlassung verbannt; nach seinem Abschied stürzt sich Kátja in die Wolga.
In Magdeburg begann es zum Orchestervorspiel mit dem Schlussbild, wenn die Dorfbewohner ihre Taschenlampen auf die tot am Ufer gefundene Katja richten. Dadurch entstand eine beeindruckende Geschlossenheit der letztlich traurigen Geschichte, die in dichten, atmosphärisch stimmigen Bildern gezeigt wurde (Ausstattung Leslie Travers ). Den Hintergrund der Bühne bildete fast durchgehend hohes Schilf am Ufer der Wolga; darüber führte eine stählerne Fußgängerbrücke, die in das Spiel der Beteiligten einbezogen wurde. Nur die erste Szene des zweiten Akts spielte in einer Lagerhalle des Hauses der Kabanicha, wo von ihr streng beaufsichtigte Frauen in Arbeitskitteln damit beschäftigt waren, irgendwelche Waren in großen Pappkisten herein- und später wieder herauszutragen – ein niederdrückendes, die düstere Stimmung im Haus kennzeichnendes Bild. Im Ergebnis gelang es dem Regisseur
Stephen Lawless durchaus überzeugend, die vielschichtigen Beziehungen der Protagonisten zueinander angemessen deutlich zu machen, wenn auch die Personenführung teilweise etwas statisch wirkte.
Joska Lehtinen/Undine Dreißig
Die musikalische Verwirklichung lag in Händen der neuen Magdeburgerin Generalmusikdirektorin Anna Skryleva, die souverän mit präziser und zugleich einfühlsamer Zeichengebung die dichten, teilweise auch schwelgerischen Klänge tief berührend zur Geltung brachte. Das lag natürlich auch an dem im Ganzen überzeugenden Gesangsensemble und an der weitgehend aufmerksamen Magdeburgischen Philharmonie, die in allen Instrumentengruppen den Intentionen der russischen Dirigentin technisch sicher folgte; allerdings hätte die Gewittermusik zu Beginn des dritten Akts markanter ausfallen können.
Mit intensiver Gestaltung der Titelpartie faszinierte Noa Danon, die deutlich herauszustellen wusste, wie schwer es Kátja fiel, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Ihr stets intonationsreiner Sopran imponierte durch weit gefächerte Farbpalette. In Magdeburg hat man bereits in verschiedenen Rollen den Amerikaner Richard Furman erlebt, der als Boris erneut mit seinem kräftigen, höhensicheren Tenor gefiel. Kátjas schwächlichen Ehemann Tichon gab klarstimmig Joska Lehtinen als Gast aus dem Ensemble des Ulmer Theaters.
Peter Diebschlag/Richard Furman
Boris‘ Onkel Dikoj war bei Johannes Stermann und seinem großvolumigen Bass gut aufgehoben; dass er seine Hose fallen lassen musste und dann in Unterhosen da stand, war ihm nicht anzulasten. Dass es zwischen Dikoj und der Kabanicha sexuell zur Sache ging, merkte man auch ohne diesen überflüssigen Regieeinfall. Ungewohnt blass wirkte die Kabanicha von Undine Dreißig; auch stimmlich gab es deutliche Einschränkungen, worauf die Dirigentin durch Dämpfen der Orchester-Lautstärke hätte Rücksicht nehmen können. Mit schönstimmigem Mezzo fiel Emilie Renard als muntere Varvara auf, zu der ihr geliebter Kudrjaš in Gestalt von Peter Diebschlag mit klarem Tenor gut passte. Kudrjaš‘ Freund Kuligin war Johannes Wollrab; in noch kleineren Rollen ergänzten die Chorsolisten Uta Zierenberg als Glaša, Ilka Hesse als Fekluša und Frau aus dem Volk sowie Yong Hoon Cho als Mann aus dem Volk; sicher entledigte sich der Chor seiner wenigen Aufgaben (Martin Wagner).
Das Publikum bedankte sich bei allen Beteiligten mit starkem, lang anhaltendem Beifall.
© Nilz Böhme
Gerhard Eckels 6.10.2019
Weitere Vorstellungen: 13.10.,2.+17.11.2019