Uraufführung: 24.05.2021
Wer sich dafür interessiert, was passiert, wenn die Götter Amor, Bellezza, Fortuna und Spirito die Menschheit retten wollen und hierbei dann doch mehr mit sich selbst beschäftigt sind, der ist im Theater Mönchengladbach an der richtigen Stelle. Denn hier reisen die Götter (zumindest in der großen Mehrzahl) mit dem Wolkenbus an, um die Menschheit von einer schrecklichen Pandemie zu befreien. Nur Amor unternimmt die lange Reise aus der fernen Galaxie und der Mythologie auf seine eigene Art, er ist schließlich auch der einzige Gott mit Flügeln. Allerdings sind weit und breit keine Menschen zu sehen, lediglich ein primitiver Urmensch mit affenähnlichen Zügen ist zu finden. In den folgenden gut 100 Minuten ergeben sich diverse Spannungen zwischen den Göttern, so entwickelt sich beispielsweise eine große Eifersucht zwischen Fortuna, der „Göttin des Glücks, des Schicksals, des Wohlstands und des Reichtums“ und Bellezza, der „Göttin der Schönheit, des Äußeren, der Verführung und das Vergnügen“, da beide Damen Gefallen an dem inzwischen erzogenen Homo Sapiens gefunden haben. Spirito, „Gott des Windes, der Intelligenz, der Moral und der Wissenschaft“, wirft den anderen derweil vor, ihre Mission sowie ihre Pflicht als Götter vergessen zu haben. Für diese Feststellung wird er kurzerhand ins Gefängnis geworfen. Und auch Amor, „Gott der Liebe, des Verlangens, des Instinkts und der Natur“ sorgt nicht für eine bessere Stimmung unter den Rettern der Menschheit. Obwohl zunächst Eitelkeit und Selbstgefälligkeit die Götter lenken, findet man selbstverständlich am Ende doch eine gemeinsame Lösung. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man doch endlich die Menschen gefunden hat, die man nun mit einem sehr wirksamen Mittel von ihren Depressionen und ihrer Melancholie heilen will. Die Musik des von den Göttern geliebten (amadé) Wolfgang Amadeus Mozart hat seit jeher eine heilende Wirkung gegen Trübsinn, so dass die Vorstellung mit einem gemeinsamen „systemrelevanten Moment von gemeinsamer guter Laune“ endet.
Karine Van Hercke (Konzeption, Stücktext und Ausstattung) und Francois De Carpentries (Konzeption, Stücktext, Licht und Inszenierung) schufen mit dem Welttheater Mozart ein Singspiel in einem Akt in historischer Tradition. Dazu wählten sie Arien selten gespielter oder unvollendeter Mozartwerke wie beispielsweise Der Schauspieldirektor, Bastien et Bastienne oder La Betuilia liberata sowie Lieder, die Mozart für einzelne Sänger oder Sängerinnen komponiert hat. Diese wurden mit der oben erwähnten überzeichnet dargestellten Handlung mit aktuellem Bezug zu einer musikalischen Fabel im Geiste Mozarts verbunden. Hierbei wird in deutscher und italienischer Sprache gesungen, die deutschen Übertitel erscheinen auf einer extra hierfür oberhalb der Bühne angebrachten Fläche, die sehr dekorativ gestaltet ist. Allgemein weiß das Bühnenbild mit vielen gemalten Barockelementen zu gefallen, die ebenfalls an eine historische Aufführung eines Mozartwerkes erinnern. Nun gut, mit goldenen Penes statt Pfeilen hat Amor seinerzeit sicher nicht geschossen, aber abgesehen von diesem geschmacklichen Ausrutscher ist das alles nett anzuschauen. Auch die Kostüme sind opulent und fantasievoll gestaltet. Sehr beeindruckend ist vor allem das Kostüm des Spirito mit seinen vielen angebrachten Büchern oder die vielen Details an den Kleidern der beiden Göttinen.
Die musikalischen Arrangements stammen von Avishay Shalom, dem auch die musikalische Leitung des Abends obliegt. Unter seiner Leitung erklingen die Niederrheinischen Sinfoniker auch in der derzeit erlaubten stark reduzierten Zahl absolut rund. Auch mit wenigen Streichern, zwei Oboen sowie Klarinette, Fagott und Horn weiß die Musik Mozarts in dieser Form zu gefallen. Seit Beginn der Spielzeit 2020/21 ist er ebenso wie die vier Darsteller Mitglied im Opernstudio Niederrhein. Maya Blaustein gibt eine wunderbare Bellezza ab und ihr Sopran weiß zu gefallen. Boshana Milkov verkörpert die Fortuna mit viel schauspielerischer Eleganz und einem samtenen Mezzosopran. Der Bariton Guillem Batllori spielt den Spirito während Robin Grunwald als Amor und Homo Sapiens zu sehen ist. Die größte Freude des Abends ist, dass diese vier Stimmen wunderbar harmonieren, was Mozarts Werke noch eindrucksvoller erklingen lässt.
Am Ende des Abends steht eine schöne Botschaft und die Zuschauer danken allen Künstlern und dem anwesenden Regisseur mit begeistertem Applaus. So schön kann es sein, nach acht Monaten endlich wieder Theater live auf der Bühne erleben zu dürfen. Weitere Vorstellungen dieser gelungenen Inszenierung sind noch für den 08.06.2021 sowie 01.07.2021 in Mönchengladbach geplant. Darüber hinaus verspricht das Programmheft eine Übernahme nach Krefeld in der kommenden Spielzeit.
Markus Lamers, 27.05.2021
Fotos: © Matthias Stutte