Staatsoper am 27.1.2018
Packend bis zum Schluss
Die 2015 in Maribor uraufgeführte Choreographie von Edward Clugs „Peer Gynt“ hatte vor einer Woche Premiere mit dem Wiener Staatsballett – in der 4. Aufführung kommt die Alternativbesetzung erstmals zum Zug. Neu besetzt sind Peer Gynt, Solveig, Ingrid, die Frau in Grün, der Schmied Aslak und Anitra, sowie vereinzelte Tänzer im Corps de Ballet, während die anderen Partien einfach besetzt sind.
Mit der Titelpartie von Peer Gynt hat Erster Solotänzer Denys Cherevychko (nach seiner besonders erfolgreichen Interpretation als Corsaire) eine weitere Idealpartie gefunden. Cherevychko ist mittlerweile auf einem derart hohen Niveau, dass man von ihm nur noch „ausgezeichnete“ oder „besonders ausgezeichnete“ Leistungen kennt, und Peer Gynt ist eine „besonders ausgezeichnete“ Rolle für ihn.
Mühelos gelingen ihm sowohl die geschmeidigen, als auch die zackigen Bewegungen, aber vor allem glänzt er darstellerisch, zuerst als teils unbekümmerter Jungspross, der allerdings auch Kritik und Schläge seiner Mutter (ausdrucksstark: Franziska Wallner-Hollinek) verkraften muss und einem weissen Hirsch (geschmeidig: Zsolt Török) hinterherjagt, dann als lässiger Macho, der Mads Moen (Igor Milos) die Braut ausspannt, schliesslich doch mehr Gefallen an Solveig (hervorragend: Nina Polakova) findet, und zum Ende des ersten Akts reumütig zur sterbenden Mutter zurückkehrt und sich nochmals schlagen lässt. Umso selbstbewusster geht er im zweiten Akt auf Reisen, lässt sich von Anitra bezirzen, verliert alles, landet in der Irrenanstalt (hier schöpft Cherevychko seinen Facettenreichtum gekonnt aus), bis er schliesslich als alter Mann wieder zurück zu Solveig kehrt und mit letzter Kraft den Felsen hinaufklettert. Das sind auch die Momente, die zu Tränen rühren, wenn Nina Polakova als gealterte, blinde, immer noch liebende Solveig wartend auf dem Felsen sitzt und Peer Gynt gar nicht mehr wahrnimmt. Überdies ist Polakova in den Pas de deux eine ebenbürtige Partnerin für Cherevychko, gerne würde man noch mehr Auftritte von Solveig sehen.
Es ist ein bekanntes Qualitätsmerkmal des Wiener Staatsballetts, bis in die kleinsten Rollen hervorragend zu besetzen. Seien es die elegante Eszter Ledan als Ingrid, oder die geschmeidig-verführerische Nikisha Fogo als Frau in Grün – mit einer sensationell choreographierten Schwangerschaft, wo der Hinterkopf auf einmal durch eine Maske als Gesicht fungiert – oder die bezaubernde Céline Janou Weder als Anitra, oder auch die vier Verrückten (überzeugend: Sveva Gargiulo, Gala Jovanovic, Leonardo Basilio und Scott McKenzie). Auch das Corps de Ballet zeigt sich stilsicher, geschmeidig und harmonisch in dem schlicht, aber effektvoll gehaltenen Bühnenbild (Marko Japelj, Kostüme: Leo Kulas, Licht: Tomaz Premzl).
Der heimliche Protagonist des Abends ist Andrey Kaydanovskiy in der Rolle des Todes. Zuerst verhindert er im ersten Akt, dass Peer Gynt von Aslak (Alexis Forabosco) zu Tode getroffen wird, begleitet ihn aber geradezu dämonisch-bedrohlich durch das ganze Stück. Bei jedem Auftritt von ihm, egal ob er in kleinen Schritten und gefährlich lächelnd über die Bühne trippelt, oder ob er energisch-geschmeidig erscheint, verschafft er dem Zuschauer eine gehörige Gänsehaut. Da darf man auf weitere Charakterpartien gespannt sein.
Grossen Applaus gab es auch für das souveräne Klaviersolo von Shino Takizawa, sowie für das Orchester der Wiener Staatsoper, welches unter der dynamischen Leitung von Simon Hewett die wunderschöne Musik von Edvard Grieg mehr als hervorragend zum Besten gab und das packende Geschehen auf der Bühne ideal unterstützte.
Folgevorstellungen: 30.1., 1.2.2018
Katharina Gebauer
Bilder (c) StOp