Premiere am 27.09.13
Die gute, alte, böse Operette
Johann Strauß` Sohn Meisterwerk "Die Fledermaus" darf sicherlich als "piece de resistance" gelten, selbst wenn die Operette endgültig von den Spielplänen getilgt würde, gäbe es sie immer noch. Als wohl meistgespieltestes Werk dieses Genres hat man als Kritiker auch schon einige Mordversuche, oder sagen wir freundlicher, Experimente damit erlebt, meistens eher misslungen. An den Wuppertaler Bühnen ist jetzt einmal eine ganz klassische, blitzsaubere Inszenierung von Operndirektor Johannes Weigand zu erleben, da schnurrt das Räderwerk der Komödie nur so ab, ohne sich groß in den Gefilden des Dauerkalauers zu bewegen. Freilich darf auch viel gelacht werden, denn Weigand hat ein ganz hervorragendes Hausensemble bei der Hand. Künstler, die ihr Handwerk beherrschen, mit der Befähigung eine Pointe gekonnt auszuspielen . Moritz Nitsche hat sichtlich nicht allzuviel Geld gehabt, die Bühne auszustatten, doch es reicht, den kleinbürgerlich beengten Salon Eisenstein, das Gartenfest bei Prinz Orlofsky und die liebevolle Tristesse des Gefängnisses auszustatten, das Spiel ist in dieser Aufführung eh das Wichtigste. Judith Fischers farbenfrohe Kostüme schmeicheln dem Auge und passen zum Metier.
Schon bei der Ouvertüre merkt man den sorgfältigen Ernst, den Florian Frannek den Straußschen Melodien angedeihen läßt. Da werden die musikalischen Pointen gut ausgereizt, perlen die filigranen Streichertriolen beim Sinfonieorchester Wuppertal, Stimmung und gute Laune kommen schon auf, bevor sich der Vorhang hebt. Ein einziger Wunsch wäre lediglich das zusätzliche Ausreizen eines "Wienerischen Rubatos". Mit Kay Stiefermanns Eisenstein hat man einen echten Bonvivant in der Hauptrolle, da sitzt die Stimme, blitzt die Spielfreude, ihm gleichwertig zur Seite der Gefängnisdirektor Frank von Olaf Haye, der in späteren Vorstellungen sicherlich ebenfalls einen guten Eisenstein abgeben dürfte. Banu Böke mit schmollend divenhaftem Ton eine Rosalinde, wie sie pikant maliziöser nicht sein könnte, der schwierige Csardas "Klänge der Heimat" ist einer der Höhepunkte des Abends. Einer der anderen die "Unschuld vom Lande" von Elena Fink als Adele komödiantisch überbordendend, mit Annika Boos als Schwester Ida und Olaf Hayes Frank sekundierend, grandios serviert. Joslyn Rechters Prinz Orlofsky ist nicht nur von der Makenabteilung herrlich "ausgestopft", sondern gefällt ebenso mit klarem Mezzo. Miljan Milovic zieht als Dr. Falke geschickt die Fäden der Intrige und erfreut mit kernigem Bariton. Sehr menschlich der "Frosch" von Gregor Henze mit leichtem Böhmakeln gespielt, die Witze sind mal nicht die alten, sondern erfrischend aktuell. Schwachpunkt des Wuppertaler Ensembles sind derzeit die Tenöre: Boris Leisenheimer spielt unauffällig, doch auch geschickt den Advokaten Dr. Blind. Christian Sturm punktet als Sänger Alfred mit charmantem Aussehen und überzeugender Ausstrahlung, punktet auch mit passenden Tenor-Extempores im Gefängnis, doch rein gesangstechnisch bleibt er seit zwei Jahren auf dem gleichen Stand, die Höhe entwickelt sich nicht aus der Enge und der Stimmsitz klingt flackerig, damit kann man zwar leben, doch man würde dem jungen Sänger ein "Mehr" wünschen, da die Stimme an sich eine schöne Farbe besitzt.
Der Opernchor unter Jens Bingerts Leitung singt, wie eigentlich immer, prächtig und spielt engagiert, die Statisten machen ihre Aufgaben hervorragend. Insgesamt eine sehr runde, schöne Aufführung, die vom Premierenpublikum mit sehr langem, herzlichen Beifall, vielen Bravos für alle Beteiligten und stehenden Ovationen gefeiert wird. So schön kann Theater sein, so viel Spaß kann Operette machen, großen Dank an alle Künstler.
Martin Freitag
Bilder: Wuppertaler Bühnen