Eine beim Publikum beliebte Tradition ist die alljährliche Aufführung einer Operette in halbszenischer Form an der Komischen Oper vor Weihnachten. Eine 2. Aufführung gibt es vor Silvester, in diesem Jahr war es Offenbachs Opéra bouffe Die Banditen. Das Stück erlebte am Haus 1989 eine Produktion von Harry Kupfer. Die neue Version von halber Länge weist allerdings gebremstes Amüsement auf und ist nur orchestral ein Vergnügen. Denn am Pult des Orchesters der Komischen Oper Berlin steht der französische Dirigent Adrien Perruchon, der schon die Ouvertüre gehörig zünden lässt und auch später immer wieder wirkungsvolle Akzente setzt, sei es mit dem spanischen Kolorit und dem Esprit der Komposition oder deren mitreißenden Tempobeschleunigungen. Auch der Vocalconsort Berlin (Einstudierung: David Cavelius), der in schwarzen T-Shirts mit appliziertem regenbogenfarbigem R auftritt, gehört auf die Haben-Seite der Aufführung. Die Solisten hat Katrin Kath-Bösel phantasievoller eingekleidet – die Herren in bunte, ordensgeschmückte Uniformen mit Jägerhütchen und Rüschenhemden, die Damen in extravagante schräge Roben.
Die Besetzung überzeugt weniger wegen der fast durchweg zu schmalen Stimmen und der mangelnden Textverständlichkeit. Allenfalls der Tenor Alexander Kaimbacher als Räuberhauptmann Falsacappa ist akzeptabel, während Johannes Dunz als Räuber Fragoletto zwar ein fesches Aussehen mitbringt, stimmlich aber unterbelichtet bleibt. Letzterer hält um die Hand der Räubertochter Fiorella an. Nadja Mchantaf ist ein Schwachpunkt der Besetzung, weil sie es nicht vermag, den Esprit der Musik umzusetzen, in der Höhe unangenehm grell klingt und textlich kaum zu verstehen ist. Solide absolviert Elisabeth Wrede die kleine Partie der Prinzessin von Granada. Wie sie ist auch der junge Bariton Noam Heinz Mitglied des Opernstudios. Mit angenehmer Stimme singt er den Herzog von Mantua, der am Schluss Falsacappa zum Polizeihauptmann ernennt. Offenbachs letzte Opéra bouffe von 1869 (Les Brigands) ist eine Satire auf Geld, Macht und Korruption. Max Hopp setzt in seiner szenischen Einrichtung leider allzu sehr auf platten Klamauk und entgeht auch nicht der Versuchung zu aktualisieren, was die Gender-Problematik ins Spiel bringt. Sogar ein Tunten-Auftritt darf nicht fehlen, den Tom Erik Lie als italienischer Schatzmeister Antonio im schrillen Outfit routiniert absolviert. Für den erkrankten Christoph Späth gibt Max Hopp höchstselbst den vertrottelten Hauptmann. Fazit der Aufführung im Schillertheater am 30. Dezember 2023: Der Witz wird zur Posse, subtiler Humor zur plakativen Übertreibung.
Bernd Hoppe, 1. Januar 2024
Die Banditen
Jacques Offenbach
Komische Oper Berlin im Schillertheater
2. Aufführung am 30. Dezember 2023
Premiere am 17. Dezember 2023
Inszenierung: Max Hopp
Musikalische Leitung: Adrien Perruchon
Orchester der Komischen Oper Berlin