Mozart war 15 Jahre alt, als er die „Festa teatrale“ Ascanio in Alba komponierte. Die Festoper war für die Feierlichkeiten zur Hochzeit des österreichischen Erzherzogs Ferdinand mit Maria Beatrice d’Este bestellt worden und fand großen Anklang. Die schlanke Handlung feiert allegorisch das Herrscherhaus. Kaiserin Maria Theresia, welche die Hochzeit arrangiert hatte, tritt in Gestalt der Göttin Venus auf, Sohn Ferdinand als Ascanio, für den sie Silvia als Braut ausgewählt hat. Die Treue der Braut wird auf die Probe gestellt, nach ihrer Bewährung findet die Hochzeit statt. Ascanio gründet die Stadt Alba. Das ist schon alles. Doch gelingt es Regisseurin Nina Brazier, dieses Nichts an Handlung sehr vergnüglich zu beleben, indem sie die mythologischen Figuren in die Gegenwart holt. Venus ist nun eine Firmenchefin, wohl im Baugewerbe, welche den eher unterbegabten Sohn an Führungsaufgaben heranführt. Kateryna Kasper als resolute Matriarchin und Cecilia Hall als linkischer Firmenerbe liefern mimisch bereits in der ersten Szene eine sehenswerte Show ab. Christoph Fischer präsentiert dazu als Firmensitz eine aufgeschnittene Kugel, deren kühl-brutalistisches Innendesign in einem grün-gelben Farbton gehalten ist. Das sieht großartig aus und ist zusammen mit einer auf halber Höhe angebrachten Galerie eine fabelhafte Spielwiese für allerhand Business-Umtriebigkeit.
Staunen macht das musikalische Genie des jungen Mozart, der das noch aus dem Barock tradierte Arienschema zu virtuosen Feuerwerken nutzt, denen die erstklassige Besetzung nichts schuldig bleibt. Grandios beglaubigt Kateryna Kasper mit ihrer wunderbar gerundeten Stimme die Souveränität der Venus. Auf Augenhöhe mit ihr agiert Karolina Bengtsson als Silvia, die nach ihrer umwerfenden Barberina in Le Nozze di Figaro erneut ihre Mozart-Kompetenz unter Beweis stellt. Anna Nekhames als zur Vorstandsassistentin mutierter Fauno bewältigt akrobatische Koloraturkunststücke in geradezu stratosphärischer Höhe. Cecilia Halls klarer Mezzosopran erweist sich als ideal für die Hosenrolle des Ascanio, während Andrew Kim mit sattem lyrischen Tenor beinahe ein wenig zu jugendlich für Silvias Vater Aceste klingt.
Alden Gatt führt sich als neuer Kapellmeister mit seiner ersten Premiere ein und präsentiert mit dem gut aufgelegten Orchester auf modernen Instrumenten einen gleichwohl historisch informierten, kraftvoll-sehnigen und wunderbar farbigen Klang. Schade ist allerdings, daß die Chorpassagen vom Band zugespielt werden, was an wenigen Stellen zu leichter Asynchronität mit dem Orchester führt.
Insgesamt kann man in einer szenisch erstaunlich frischen Produktion eine unerwartet reife Talentprobe des jungen Mozart in einer nahezu idealen musikalischen Umsetzung bewundern. Das Frankfurter Publikum muß das geahnt haben, denn die Aufführungsserie war bereits vor der Premiere nahezu vollständig ausverkauft.
Michael Demel, 2. Januar 2024
Ascanio in Alba
Festa teatrale von Wolfgang Amadeus Mozart
Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot
Besuchte Vorstellung: 21. Dezember 2023
Premiere am 17. Dezember 2023
Inszenierung: Nina Brazier
Musikalische Leitung: Alden Gatt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester