Luigi Nono
Schweizer Erstaufführung Premiere: 14. September 2019
Besuchte Vorstellung: 22. September 2019
Szenische Aktion in zwei Teilen von Luigi Nono. Textauswahl vom Komponisten. In italienischer, französischer, spanischer und deutscher Sprache. Dieser Vermerk im Programmheft des Basler Theater lässt schon erahnen, dass es sich bei der Komposition von Luigi Nono nicht um einfache Kost handelt. Die Collage der Texte umfasst die Zeit zwischen 1871 bis zum Vietnam- Krieg 1975. Die Zitate stammen unter anderen von Maxim Gorki, Che Guevara, Karl Marx, Arthur Rimbaud, Lenin, Louise Michel, Celia Sanchez und anderen. Auch anonyme Zeitzeugen kommen zum Wort.
Mit dieser monumentalen Revolutionsoper schuf der italienische Komponist Luigi Nono ein glühendes Plädoyer für den Kampf gegen soziale und gesellschaftliche Ungerechtigkeit. Auch wenn Luigi Nonos Oper, die Handlung stammt aus dem 19. und 20. Jahrhundert, vielleicht etwas antiquiert daherkommt (UA 1975), macht sie mich heute, im 21. Jahrhundert, betroffen und nachdenklich. Es stellt sich für jede Frau, für jeden Mann die Frage, wie aktuell, zeitbezogen die angesprochenen Themen sind.
Die Revolutionärin Louise Michel (1830 -1905) WIR WERDEN WIEDERKEHREN ALS MENGE OHNE ZAHL. Dieser Satz aus dem Jahr 1898 ist auch heute noch aktuell und politisch von hoher Brisanz.
Der Versuch der Ausgrenzung von Migranten, Randständigen, sozial auffälligen Mitmenschen und auch von anders Denkenden/Querdenkenden nimmt zu und ist nicht an Landesgrenzen gebunden. Diese Unterdrückung ist mancherorts offenkundig, andernorts nimmt sie schleichend Formen an. Dies erinnert an die schlimmsten Zeiten politischer Pressionen und Verfolgungen im 19., 20., und 21. Jahrhundert.
In Erwägung, dass ihr uns dann eben mit Gewehren und Kanonen droht,
haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben mehr zu fürchten als den Tod.
In Erwägung, es will euch nicht glücken es zu schaffen einen guten Lohn,
übernehmen wir jetzt selber die Fabriken.
In Erwägung: ohne euch reicht’s für uns schon.
(Die Tage der Commune – Bertold Brecht 1949)
Dieser Text ist auch heute aktueller denn je. Er betrifft Migranten, welche den Tod weniger fürchten als die Gefahren ihrer Flucht aus Unterdrückung und Armut.
Er betrifft die Arbeiterinnen und Arbeiter, welche unter unmenschlichen Bedingungen Luxusartikel herstellen, welch in der kapitalistischen Welt, wo immer diese zu finden ist, zu teuren Preisen verkauft werden. Er betrifft politische Minderheiten, wo immer diese aktiv sind oder aktiv werden möchten. Damit ist für mich der Kreis, geschlossen. Jede und Jeder muss für sich selber eben diese Fragen beantworten und daraus die Folgerung ziehen.
Der Regisseur Sebastian Baumgarten hat nicht versucht, die Handlungszeit zu aktualisieren. Er hat den Mut gehabt, die Texte für sich sprechen zu lassen und damit hat Baumgarten gut getan. Seine Personenführung in dieser "Grossen Kiste" ist makellos und unterstreicht die starken Aussagen des Librettos. Dazu kommt der gekonnte Einsatz der Videotechnik, welche nicht nur Untermalung darstellt, sondern dramaturgisch unverzichtbar ist. (Video Chris Kondek).
Die Bühne wurde entworfen von Janina Audick, die Kostüme stammen von Christina Schmitt. Choreografiert wurde von Beate Vollack. Der Chor des Theater Basel und der Kammerchor Theater Basel, geleitet von Michael Clark, lösten die Aufgabe, eine anspruchsvolle künstlerische Arbeit, bravourös mit grossem Einsatz und perfekter Intonation. Jonathan Stockhammer, er dirigierte in Basel 2016/2017 auch SATYAGRAHA, leitete das Sinfonieorchester Basel (SOB). Das SOB zeigte sich der anspruchsvollen Komposition Nono’s gewachsen und fühlte sich hörbar wohl in dieser Aufgabe. Das gesamte Team auf der Bühne leistete in unterschiedlichen Rollen überzeugende Arbeit.
Gesanglich überzeugend, Intonation und Diktion hervorragend, Gestik und Mimik ebenso wie die Körpersprache danke der Personenführung Sebastian Baumgartens makellos. Das Solisten Team: Soprano 1: Sara Hershkowitz , Soprano 2: Cathrin Lange, Soprano 3: Sarah Brady Soprano 4: Kristina Stanek, Tania: Rainelle Krause, Contralto: Noa Frenkel , Tenore: Karl-Heinz Brandt, Baritono: Domen Križaj, Basso 1: Andrew Murphy, Basso 2: Antoin Herrera-Lopez Kessel ,
Voce di Donna: Carina Braunschmidt
Das zahlreich erschienene Publikum belohnte die sehr gelungene Produktion mit dem verdienten, aber nachdenklichen Applaus.
Peter Heuberger, Basel