Premiere: 15. Dezember 2017
Wunderbare Sänger, ein hervorragender Chor, Orchester in Hochform, ein ausgesprochen subtiles Dirigat und die musikalisch perfekte Rezitativbegleitung bewegte das zahlreich erschienene Publikum an der Premiere von „LA CENERENTOLA“ zu begeistertem Applaus, Szenenapplaus und Schlussovation. Ich bin allerdings der Meinung dass dieser Applaus nur der musikalischen Leistung des Teams galt. Dies aus den nachfolgend dargestellten Gründen:
Nach den drei hervorragenden Inszenierungen 2016 „CALIGULA“, „OEDIPUS“ und die „DIE WOHLGESINNTEN“ war man auf die Opernproduktion von Antonio Latella gespannt und hatte hohe Erwartungen. Doch, leider waren diese Erwartungen zu hoch gesteckt! An der Premiere von gestern, Gioacchino Rossini „LA CENERENTOLA“, wurde klar, dass Latella, so brillant er als Sprechthea-ter-Regisseur ist, im Musiktheater noch viel Erfahrung, speziell im nicht-italienischen Raum machen muss. Seine Personenführung beschränkte sich auf Aufmarsch an der Rampe, oder ein wenig dahinter und Absingen der Arien. Auch die meisten Rezitative wurden an der Rampe abgehalten. Im Nord- und Mitteleuropäischen Kulturkreis genügt das Rampen-Singen, auch wenn es noch so gut ist, im Musikthea-ter einfach nicht mehr. Es müssen, nicht nur in der Musik, sondern auch in der Schauspielkunst der Protagonisten und Protagonistinnen Emotionen und Interaktionen erlebt werden. Und dies ist zu bewirken ist der Auftrag der Regie. Diesen Auftrag hat Antonio Latella auf weiten Strecken des Werkes nicht erfüllt. Die Geschichte, welche erzählt werden sollte, blieb weitgehend unverständlich. Dort wo sie verständlich wurde, ist dies der Musik und vor allem der komödiantischen Schauspielkunst der Basler Ensemble-Mitglieder Andrew Murphy (Don Magnifico), Sarah Brady (Clorinda) und Anastasia Bickel (Tisbe) zu zuschreiben. Aus dem Gespräch Latellas mit seinem Dramaturgen, dem Basler Pavel B. Jiracek, geht hervor, dass Antonia Latella sehr gute Ideen hat, diese aber im Musiktheater nicht umsetzt. Wieso dies der Fall ist? Ich weiss es nicht!
Dazu kommt, dass auch das Lichtdesign (Simone de Angelis) nicht sehr kreativ daherkam. Ein Lob ist der Bühnenbildnerin (Antonella Bersani) zu spenden. Ihr Bühnenentwurf war einfach gehalten hätte eine gute Personenführung in die Bühnentiefe erlaubt.
Das Sinfonieorchester Basel (SOB) unter der Stabführung des Italieners Daniele Squieo interpretierte die Musik Rossinis mit viel Gefühl, passte sich in der Dynamik den Sängern und Sängerinnen optimal an. Am Hammerklavier begleitete Iryna Krasnovska, Korrepetitorin am Theater Basel, die Rezitative.
Hervorragend wie immer, der Chor des Theater Basel, für einmal ein reiner Männerchor. Die Einstudie-rung besorgte Michael Clark, seit dieser Spielzeit neuer Chorleiter.
Als Angelina war die Mezzo-Sopranistin Vasilisa Berzhanskaya zu hören. Ihre Interpretation von Rossinis Musik zeichnete sich aus durch gefühlte Emotion mit klarer Diktion und sauberer Intonation. Ich bin der Meinung, dass sie, bei besserer Personenführung, mit ihrer schauspielerischen Fähigkeit dem Part des Aschenputtels wesentlich mehr Leben eingehaucht hätte. Juan José de Léon liebt die Rampe. Er sang die Rolle des Don Ramiro perfekt mit guter Diktion. Seine Stimme ist sehr kräftig, in gewissen Lagen eher zu „kräftig“. Subtile, zarte Höhen sind nicht sein Ding. Seine Darstellung der Liebe zu Angelina war nicht allzu deutlich zu erleben. Seine schauspielerischen Fähigkeiten können in dieser Produktion nicht beurteilt werden. Dies gilt auch für alle anderen Rollen!
Als Diener Dandini hörten wir denn italienischen Bariton Vittorio Prato. Seine Stimmverständlichkeit liess, obgleich italienischer Muttersprache, hie und da zu wünschen übrig. Sein Gesang, seine Intonation war gut. Der griechische Bassist Tassos Apostolou in der Rolle des Alidoro überzeugte sowohl sängerisch als auch schauspielerisch auf der ganzen Linie. Andrew Murphy als der Pleitier Don Magnifico war in dieser Produktion eine spezielle Nummer. Seine Arie im zweiten Akt, „Sia qualunque delle figlie“ war in jeder Hinsicht perfekt: Seine Intonation und seine Diktion hervorragend und seine Darstellung in Mimik, Gestik und Körpersprache einfach umwerfend. Der wohlverdiente Szenenapplaus als auch der rauschende Schlussapplaus war für Murphys Leistung, seine Bühnenpräsenz absolut verdient. Dasselbe gilt für die beiden Mitglieder des „Operstudio Avenir“, Sarah Brady (Sopran) als Clorinda und
Anastasia Bickel (Mezzo-Sopran) als Tisbe, ihres Zeichens die hartherzigen, zickischen Schwestern Angelinas. Ihre schauspielerische Leistung wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer stringenteren Regie noch wesentlich besser zur Geltung gekommen.
Das Premierenpublikum belohnte die Leistung des Ensembles samt Chor und Orchester mit frenetischem Applaus. Etwas kühler hörte sich der Applaus für das Regieteam an.