Premiere: 4.11.2015
Herzliche Gratulation zu 150 Jahre Gärtnerplatztheater
Aschenbrödel und Ludwig II
Auf den Tag genau 150 Jahre ist es her, dass das Staatstheater am Gärtnerplatz seine Pforten öffnete. Am 4.11.1865 ging an diesem traditionsträchtigen Haus die erste Aufführung über die Bühne. Seither haben immer wieder mustergültige Vorstellungen Publikum von nah und fern angelockt. Heute ist das Gärtnerplatztheater längst nicht mehr nur das zweite Haus am Platz, sondern eine ernst zu nehmende Konkurrenz zur Bayerischen Staatsoper geworden. In den letzten zehn Jahren hat sich das Niveau dort enorm gesteigert. Sänger aus der ersten Liga werden engagiert und die Opern-Aufführungen erklingen in der Originalsprache, was früher nicht der Fall war. Die Münchner lieben ihr Gärtnerplatztheater zu Recht. Dementsprechend gut besucht war auch die große Festveranstaltung, die am späten Nachmittag rund um den Gärtnerplatz stattfand. Da das Stammhaus immer noch renoviert wird, musste am Abend für die große Fest-Premiere in das bereits oft als Ausweichquartier genutzte Cuvilliéstheater ausgewichen werden, wo im Foyer zahlreiche visuelle Glückwünsche großer Theaterschaffender über einen Bildschirm flimmerten. Diese kamen u. a. auch aus Amerika und Japan – ein deutliches Zeichen dafür, welch großes Ansehen das Staatstheater am Gärtnerplatz doch weltweit genießt.
Dandini, Herrenchor
Um diesen festlichen Anlass angemessen zu begehen, hatte die Theaterleitung als zweite Premiere der aktuellen Saison Rossinis „La Cenerentola“ auf den Spielplan gesetzt und damit in jeder Beziehung einen Volltreffer gelandet. Die Aufführung war in hohem Maße kurzweilig und unterhaltsam und versprühte viel gute Laune. Als Regisseurin konnte die ehemalige Opernsängerin Brigitte Fassbaender gewonnen werden, die am Gärtnerplatztheater vor einigen Jahren bereits den „Don Pasquale“ in Szene gesetzt hatte. Wenn das Publikum den Zuschauerraum betritt, erschließt sich dem Blick ein auf den Vorhang projiziertes, die aufzuführende Oper thematisierendes Kreuzworträtsel, in dem sich neben den Namen einiger Handlungsträger Begriffe wie „Rossini“, „Cenerentola“ und „Trionfo“ finden. Das italienische Wort „Trionfo“ bedeutet im deutschen „Triumph“. Und zu einem solchen gestaltete sich der Abend dann auch. Die Regisseurin hat sich des Werkes mit viel Liebe angenommen und es mit einer munteren Personenregie abwechslungsreich und mit einer heiteren Note versehen auf die Bühne gebracht.
Diana Haller (Angelina), Artur Espiritu (Don Ramiro)
Sie siedelt die märchenhafte Handlung in einer gemäßigten Moderne an, wobei sie auch das 150jährige Jubiläum des Theaters in ihre Inszenierung geschickt einfließen lässt. Das Ganze spielt sich in einem von Dietrich von Grebmer – von ihm stammen auch die herrlichen Kostüme – errichteten bläulichen Kachelraum ab. Links befinden sich ein Tisch und drei Stühle, die augenscheinlich nur für Don Magnifico und seine beiden Töchter bestimmt sind. Für Angelina, die zuerst im rechten Teil der Bühne in der Küche im Kamin kauert, dann für ihre Familie das Frühstück bereitet und nach getaner Arbeit wieder zurückgezogen ein Magazin lesen darf, ist hier kein Platz. Zentrale Elemente des Bühnenbildes bilden zwei riesige Schränke, die vom das Haus in Augenschein nehmenden Chor hereingeschoben werden und denen Clorinda und Tisbe entsteigen. Neben ihrer ursprünglichen Funktion als Aufbewahrungsort für die wunderbaren Kleider der beiden Mädchen kommt den Schränken noch eine weitere Verwendung zu. Mit ihrer Hilfe lassen sich praktikablerweise auch einzelne Räume herstellen. So wird aus ihnen beim ersten Auftritt von Don Magnifico gekonnt ein Badezimmer mit Dusche kreiert, in dem die Töchter ihrem nur mit einem Handtuch um die Hüften auftretenden Vater in den Bademantel helfen – ein recht spaßiges Bild.
Herrenchor
Derartige erheiternde Augenblicke gibt es in der Inszenierung viele. So kann man herzlich lächeln, wenn Don Magnifico im Weinkeller des Prinzen zum Vorstand einer vom Herrenchor gebildeten Schulklasse 7A wird, die den wenig schmeichelhaften Spruch „Der Lehrer ist doof“ an die Tafel geschrieben hat. Zum Schmunzeln war es auch, als sich der Diener Dandini dem zuerst als Chauffeur, dann als Kellner maskierten Königssohn genüsslich über das schlechte Benehmen von Clorinda und Tisbe auslässt. Neben Angelina ist es augenscheinlich Dandini, dem die ganze Liebe von Frau Fassbaender gehört. Kurzerhand steckt sie ihn in die Maske Ludwigs II und lässt ihn vor einem Prospekt von Schloss Neuschwanstein gleichsam dem berühmten, 1865 entstandenen Bild von Ferdinand von Piloty entspringen, das den Märchenkönig als Zwanzigjährigen zeigt – ein überaus ansprechender und stimmiger Regieeinfall, der den Höhepunkt des Abends bildete. Das Ende hat das Regieteam in König Ludwigs berühmte Venusberg-Grotte verlegt, in der Don Ramiro gleich Lohengrin in einem Kahn erscheint. Für die äußerst ansprechende visuelle Gestaltung der Ludwig II-Szenen gebührt Herrn von Grebmer größtes Lob! Und ein herzliches Dankeschön geht an die musikalische Leitung dafür, dass man in dieser Produktion die sonst eigentlich immer gestrichene Arie der Clorinda, die zur Schlussszene gleich ihrer Schwester nicht wirklich reuig im Nonnen-Outfit erscheint, hören konnte.
Mercedes Arcuri (Clorinda), Diana Haller (Angelina), Herrenchor
Nicht nur szenisch, auch musikalisch war die Aufführung vollauf gelungen. Es ist unglaublich, was Dirigent Michael Brandstätter aus dem bestens disponierten und beherzt aufspielenden Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz alles herausholte. Das war eine sehr differenzierte und nuancenreiche Angelegenheit. Aus dem hochliegenden Graben des Cuvilliéstheaters erklang genau die richtige Mischung aus Fetzigkeit und Emotionalität. Der von den Musikern erzeugte lockere, federnde und spritzige Rossini-Ton war genau richtig und unterstrich das Geschehen auf der Bühne aufs Beste.
Diana Haller (Angelina), István Kovács (Alidoro)
Große Freude bereitete auch das aufgebotene Sängerensemble. In der Titelrolle brillierte Diana Haller von der Staatsoper Stuttgart. Für sie war es bereits die zweite Cenerentola-Produktion. Und es war zu konstatieren, dass ihr trefflich fokussierter, tiefgründiger und gefühlvoller, dabei locker und flexibel geführter Mezzosopran seit der Stuttgarter Inszenierung von 2013 noch weiter gereift ist. Ihr zuzuhören, war ein Hochgenuss. Alle Klippen der Partie wurden mit hohem technischem Können gemeistert. Und auch darstellerisch blieben keine Wünsche offen. Neben ihr bewährte sich Arthur Espiritu, der mit in jeder Lage sauber geführtem, gut sitzendem und über eine enorme Höhe verfügendem Tenor einen erstklassigen Don Ramiro sang. Ganz hervorragend stand Vittorio Prato als Dandini das Outfit Ludwigs II. Da war in jedem Augenblick zu spüren, dass er es sehr genoss, einmal den Herren spielen zu dürfen. Auch stimmlich vermochte er mit seinem gut profundierten, flexibel geführten Bariton für sich einzunehmen. Hoch in der Gunst des Auditoriums stand Marco Filippo Romano, der aus dem Don Magnifico mit großem schauspielerischem Können eine köstliche Type machte. Gesungen hat er mit heller, bestens verankerter Bass-Stimme ebenfalls einwandfrei. István Kovács war ein sonor singender Alidoro, der seinem Part auch darstellerisch voll und ganz entsprach. Mit köstlichem, munterem und recht aufgewecktem Spiel rundeten Mercedes Arcuri und Dorothea Spilger in den Rollen von Clorinda und Tisbe das Ensemble ab. Prächtig präsentierte sich der von Felix Meybier einstudierte Herrenchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Allgemein hervorzuheben ist, dass sich von den Sängern keiner in den Vordergrund drängte. Alle pflegten ein großartiges homogenes und von großer Lust geprägtes Zusammenspiel. Bravo!
Fazit: Eine erstklassige Jubiläums-Aufführung, deren Besuch sehr zu empfehlen ist!
Ludwig Steinbach, 5.11.2015
Die Bilder stammen von Christian POGO Zach