Salzburg: Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam

Salzburger Festspiele 2016 am 30.8.16

Daniele Gatti, Sol Gabetta

Magisch irisierende Klangwelten

Orchester aus europäischen Metropolen, eines aus den USA sowie vier weitere renommierte internationalen Klangkörper prägen das Profil der Festspielkonzerte mit einem Repertoire, das vom Ende des 18.Jahrhunderts bis zum frühen 21. Jahrhundert reicht. Am Pult standen herausragende Dirigentenpersönlichkeiten. Zum finalen Abschluss machte das „Concertgebouw Orkest“ Amsterdam, die Nummer eins in der mit zwanzig Klangkörpern besetzten Premierliga der Weltorchester, seine Aufwartung. Es gibt keine Zweifel, dass die „Königlichen“ mit orchestraler Virtuosität glänzen. Angefangen bei den dynamischen Konstellationen, die vom muskulösen Forte bis hin zu den zartesten Piani reichen, über prägnant artikulierende Bläser bis hin zu inbrünstig deklamierenden Expressivo-Streichern. Auffallend ist das ausgesprochen warm tönende Timbre des Orchesters. Alles klingt fein gerundet, federnd, geradezu katzenhaft geschmeidig. Hier wächst Spannung aus dem Nebeneinander von leidenschaftlichen und zarten, von pathetischen und empfindsamen sowie kulinarisch aufbereiteten Orchesterpassagen.

Für den Auftritt im großen Festspielhaus in Salzburg schließt sich das fabelhafte Concertgebouworkest unter neuer Leitung, dem Italienischer Daniel Gatti, mit einer „First Lady“ des Cellospiels zusammen: mit der aus Argentinien stammenden Starcellistin Sol Gabetta – ein junger, Temperament geladener, charismatischer Typ. Der etablierte sich längst auf den vordersten Plätzen der Cellisten-Garde. Wie diese podiumswirksame Erscheinung gestisch die Musik auslebt, wie sie den Bogen ansetzt und ihr Instrument, eine kostbare Guadagnini von 1759 bewegt, ist fürwahr eine Augenweide. Sie sucht die Neugierde mit einem „Best-of-Classics“ Hit zu wecken: mit dem Cellokonzert Nr. 1 in a-Moll von Camille Saint-Saens. Im Wechsel von wilden Attacken und ausdrucksvollen Kantilenen bietet das Werk dem Interpreten dankbares Virtuosenfutter. Allen Respekt, wie Gabetta mit rundem Ton und stupender Grifftechnik einen feurigen Sturmlauf über alle Hürden hinweg inszeniert. Das Publikum war hingerissen.

Szenische Assoziationen rufen die „königlichen“ Virtuosen hervor: mit dem Zauber von Claude Debussys „Jeux“ und Igor Strawinskys pittoreskem „Petrouschka“ über eine zum Leben erwachende Kasperlpuppe auf dem St.Petersburger Jahrmarkt. Daniel Gatti widmet sich zwei epochalen Ballettkompostionen der klassischen Moderne. In eine wild aufschäumende Rummelplatzstimmung, wo das Volk sich lustvoll vergnügt, führt ein „Commedia del l’arte“ Modell, das Strawinsky als „Scènes burlesques en quatre tableaux“ Petrouschka verewigt hat. In der l947 umfassend revidierten Fassung wird bei reduzierter Orchesterbesetzung das Tongewebe ausgesprochen luftig-duftig durchhörbar. So rückt das Klavier in den Vordergrund, wodurch Strawinsky seinen ursprünglichen Vorstellungen von einer konzertanten Auffassung der Musik näher kommt. Das Ballett mutiert zum instrumentalen Werk, dem der Pianist im konzertanten Wettstreit mit dem Orchester agiles Leben einhaucht.

Über die Beziehung von Tennis und Musik durfte ebenfalls nachgedacht werden. Allerdings hat Claude Debussy mit dem Schlagabtausch in seiner Ballett-Dichtung „Jeux“ weniger im Sinn. Ihn fesselt in erster Linie das sportliche Umfeld, wo sich eine hauchzarte erotische Dreierepisode am Rande des Cours anbahnt. Amsterdams Philharmoniker vom Concertgebouw zeigen das rechte Gespür für ein schillerndes Spiel de Farben, für kühne harmonische Reibungen und bezaubernded Oszillieren der Klänge in nächtlich belichteter geheimnisvoller Landschaft. So mischen sich sportliche Ambitionen zart besaitet mit emotionalen Befindlichkeiten, die sich magisch in der Stille verflüchtigen.

Henri Dutilleux, der 2013 siebenundneunzig verstorbene Siemens-Musik-Preisträger, zählt zu den am meisten aufgeführten, die Moderne repräsentierenden französischen Komponisten. Seine Klänge führen in Geheimnis umwitterte magisch irisierende Klangwelten. So gelten die l964 veröffentlichten „Métaboles“ für großes Orchester als seine zentrale Komposition. Wie ein roter Faden zieht in dem für das Cleveland Orchestra von George Szell in Auftrag gegebenen Werk eine melodische Linie durch diese Metamorphosen für Orchester. Der ineinander verschachtelte Klangkosmos bedient sich am Rande auch dodekaphonischer Techniken. Wie das aufeinander folgende Spiegeln von Holzbläsern, Streichern, Blechbläsern, Schlagzeug virtuos ausgeführt wird, bringt das superb disponierte Orchester auf erregende Weise zum Leuchten. Das Publikum applaudierte begeistert.

Egon Bezold 3.9.16

Foto: Festspiele