Zum Zweiten
28.12.2018
Opernspaß mit glücklichen Mägden und grünen Weiden
Friedrich von Flotows romantisch-komische Oper „MARTHA oder der Der Markt von Richmond“ hat nun wirklich alle notwendigen Klischees die es braucht, um eine richtig kitschig-schöne Inszenierung dieses Stoffes auf die Bühne zu bringen. Schmachtende Musik, liebreizende Ladys, artige Zofen und Mägde, tollpatschige Liebhaber, snobistische Adelige und dazu ein richtig britisch-distinguiertes Ambiente. Klingt irgendwie langweilig, oder? Ja, wäre es auch. Aber dann haben Sie diese Oper noch nicht in Detmold gesehen. Denn was Kay Link in seiner Inszenierung daraus macht, ist alles anderes als lieb, brav, langweilig oder gar snobistisch. Er versetzt das Stück in die neuzeitliche Reality-TV-Zeit mit all ihren besonderen Kuppelshows und lässt einfach den Bauern seine Magd suchen. Dem Publikum gefällts!
Die Geschichte um die reiche, aber sich langweilende britische Lady Harriet Durham und ihre Vertraute Nancy, die sich zum Spaß auf dem Markt von Richmond als Mägde verdingen wollen, ist als Oper „Martha“ zu einem Hit geworden. Natürlich wollen diese beiden feinen Damen alles andere als für irgendwelche Landwirte arbeiten. Aber wie es das Schicksal so will, begegnen sie zwei meistbietenden „Bauern“ – von denen sich am Ende einer als echter Graf und damit adäquater Partner für die Lady Harriet entpuppt – und vier Herzen fliegen sich im Überschwang der vielen Gefühle zu. Und wie es so bei romantisch-komischen Liebesgeschichten ist, gibt es vor dem kollektiven Happy-End noch die eine oder andere Irrung und Wirrung, Enttäuschung und vermeintliche Trennung. Aber es gibt ein glückliches Finale und jede Lady bekommt ihren passenden Partner. Zu alledem hat Flotow eine Musik geschrieben, die leicht und beschwingt, aber auch sentimental und schwärmerisch daherkommt. Viele Melodien, die zu wahren Gassenhauern wurden – wie die von der „entschwundenen Martha! Martha!“ und der „Letzten Rose“.
Regisseur Kay Link macht aus der Oper kurzerhand eine Reality-Show mit Livecams, zahlungskräftigen Bauern die Mägde suchen, nimmt noch einen Sexy-Jungbauern dazu, dem die anwesende Damenwelt nur so von allein hinterherläuft und lässt die Geschichte um die frustrierte und gelangweilte Lady Harriet einfach laufen. Und das so spaßig und kurzweilig, dass man zum Ende hin versucht ist zu denken, das könnte doch ruhig noch ein weiteren Akt so weitergehen. Alles wird streckenweise 1:1 auf einem Bildschirm übertragen, welches das amüsierte Publikum im Saal mitverfolgen kann. Seien es die frohen Mägde, die beschwingt und beseelt eine blühende Weide hinauflaufen in froher Erwartung ihres neuen Bauern, oder die Gesichter der Bauern in Großaufnahme, wenn sie ihre Magd erworben haben. Und zwischendrin immer das agile Kamerateam mit seiner „Bauer sucht Magd„-Frontfrau (herrlich Rita Gmeiner in dieser Rolle!), die so echt und natürlich wirkt, wie es diese Formate eben sind. Und sie filmen alles: die Ankunft der Mägde und der Bauern, die Vertragsabschlüsse der beteiligten Suchenden und auch so manchen Lapsus, den die unechten Mägde Harriet und Nancy – die sich nun Martha und Julia nennen lassen – bei der Verrichtung ihrer Hof-und Hausarbeit verrichten. Eben echtes und wahres Reality-Format wie es uns tagtäglich auf den TV-Kanälen geboten wird.
Und natürlich sind auch alle recht bäuerlich und adrett gekleidet und erst im Finale, wenn die Auflösung der Geschichte naht, sieht man auch Damen der feinen englischen Gesellschaft in ihren typischen Kostümen und Garderoben. Und wenn sich am Ende alle liebenden Paare gefunden haben und sich alle freuen, schaut das TV-Team aus einer Ecke der Bühne dem fröhlichen Treiben zu: geknebelt und zusammengebunden. Jetzt will und braucht sie niemand mehr.
Für die Ausstattung der Bühne und der Maske waren Nora Johanna Gromer und Kerstin Steinke zuständig und haben das typische Fake-Flair, das diesen TV-Formaten nun mal anhaftet, sehr anschaulich auf die Bühne gebracht.
Ein wirklicher Spaß, den das Landestheater Detmold seinen Besuchern bietet. Und man muss Kay Link danken, dass er diesen Stoff auf solch humorvoll Weise umsetzt und nicht der Versuchung anheim fällt, so manch anderes in diese doch eigentlich banale Geschichte meint hinein interpretieren zu müssen.
Das Detmolder Ensemble zeigte sich sehr spielfreudig und machte den Spaß auf der Bühne nachvollziehbar mit. Dazu wurde auch noch sehr überzeugend gesungen.
Als Lady Harriet zeigte Emily Dorn, dass ihr die heiteren Sopranpartien mindestens ebenso liegen wie die dramatischen und sie darf mit ihrer gesanglichen Leistung und dem Abend sehr zufrieden sein. Sie verlieh der Hauptpartie viel komödiantisches Format.
Dara Savinova sang und spielte die Vertraute Nancy mit großer Spielfreude und beeindruckender Stimme. So muss eine „Nancy“ in Martha im Idealfall klingen! Frau Savinova hält da jeden Vergleich stand. Für mich die überzeugendste gesangliche Leistung des Abends. Bravo!
Den zunächst verlassenen Liebhaber und späteren Grafen Lyonel gab Stephen Chambers großes Profil. Stimmlich, dabei ungemein textverständlich, als auch schauspielerisch liess er kaum Wünsche an diese Tenorpartie offen und fühlte sich offensichtlich in und mit dieser Partie sehr wohl.
Seungweon Lee und Benjamin Lewis waren die Darsteller des Lord Tristan und des Bauern Plumkett. Zwei humoristisch geprägte Rollen, die von beiden Solisten des Landestheater Detmold hervorragend dargeboten wurden. In der kleinen Partie des Richters zu Richmond fügte sich Torsten Lück nahtlos in das insgesamt überzeugende Ensemble ein.
Chor und Extrachor (Leitung Francesco Damiani) und die Statisterie des Landestheater Detmold waren in dieser lebhaften und fröhlichen Inszenierung bestens eingebunden und erhielten dafür vom Publikum, wie auch die Solisten des Abends, großen Applaus.
György Mészáros, der musikalische Leiter des Abends, liess das Symphonische Orchester des Landestheater Detmold leicht und nuancenreich Flotows eingängige und beschwingte Musik spielen und trug nicht zuletzt auch dadurch zum Erfolg des Abends maßgeblich bei. Verdient viel Applaus auch für den Dirigenten und sein Orchester vom begeisterten Detmolder Publikum.
Fazit: Termin aussuchen – Eintrittskarte kaufen – und sich unterhalten lassen. Wunderbare schöne Oper !
Detlef Obens 29.12.2018