Köln: „La Bohème“, Giacomo Puccini

Aus 2015 stammt diese Produktion, die es hinsichtlich des optischen Eindrucks, vor allem im 2. Akt, durchaus mit der berühmten Zeffirelliausgabe von 1963 aufnehmen kann. Dem 2020 an Covid verstorbenen chilenischen Bühnen- und Kostümbildner Germán Droghetti sind wunderbar poetische, atmosphärische Bilder zu verdanken, vom Dachatelier der vier Künstlerfreunde über ein auf Montparnasse verweisendes Bild für den turbulenten 2. Akt bis zur winterlich/grauen Szenerie des 3., die den Zuschauer geradezu frösteln ließ. Passend auch Droghettis Kostüme, die sich nicht so sehr am 19. Jahrhundert inspirierten als am Beginn des 20. Dabei stach jenes von Schaunard besonders hervor, da er sich mit dem Geld des Engländers für seinen Musikunterricht offensichtlich gleich einmal elegante Garderobe zugelegt hatte. Die Regie des im vorigen November mit 89 Jahren verstorbenen Michael Hampe war die Arbeit eines Altmeisters, der Wert auf Details legt (etwa die Kartenaufschlägerin, bei der Marcello während Musettas Walzer Trost sucht), der Chor und Statisterie jederzeit im Griff hat und dem so oft gesehenen Werk jugendliche Frische verleiht. Aber auch Eike Ecker, verantwortlich für die Betreuung dieser Wiederaufnahme, scheint ganze Arbeit geleistet zu haben.

(c) Paul Leclaire

Auch die musikalische Seite der Aufführung ist durchgehend zu loben. Der junge, 1991 in der norditalienischen Provinz Sondrio geborene, Lorenzo Passerini leitete das Gürzenich-Orchester mit großer Umsicht, wurde nur manchmal ein wenig zu laut, was vermutlich auf die nicht perfekte Akustik des langjährigen Ausweichquartiers der Kölner Oper (von der man hofft, dass ihre Renovierung 2024 endlich beendet werden kann) zurückzuführen war. Das Solistenquartett erwies sich als stimmlich ausgewogen und sehr spielfreudig. Im Mittelpunkt stand die Mimì der Italienerin Angela Nisi, ein zartes, lebenshungriges Persönchen mit gleichmäßig schönem lyrischem Sopran. Ihr Rodolfo war der US-Philippine Arthur Espiritu, der mit topsicherer Höhe imponierte, aber auch über zartere Töne verfügte. Marcello war der Koreaner Insik Choi mit ausladendem, sehr angenehm timbrierten Bariton.

(c) Paul Leclaire

Einen brauchbaren Bass ließ sein Landsmann Sung Jun Cho als Colline hören. Das Künstlerquartett ergänzte, spritzig in Auftreten und Gesang, der Ukrainer Demian Matushevskiy als Schaunard. Musetta war die Amerikanerin Emily Hindrichs, deren Stimme nicht immer ausreichend trug, die aber eine derart temperamentvolle Figur schuf, dass sie dennoch überzeugte. Benoit und Alcindoro gab mit dem richtigen Maß an Tollpatschigkeit Lucas Singer. Auch die Kleinstrollen waren gut besetzt. Der von Bang-In Jung einstudierte Chor des Hauses sang exzellent und zeichnete sich durch große Spielfreude aus.

Die Interpreten der Hauptrollen kamen also aus fünf verschiedenen Ländern, aber das Genie Puccinis und die Phantasie von Regisseur und Ausstatter verschweißten sie zu einem homogenen, vom Publikum heftig bejubelten, Ganzen.                    

Eva Pleus, 20. Januar 2023


„La Bohème“

Giacomo Puccini

Oper Köln im Staatenhaus

Besuchte Vorstellung: 30. Dezember 2022

Regie: Michael Hampe

Choreographie: Athol Farmer

Bühne und Kostüme: Germán Droghetti

Licht: Andreas Grüter

Musikalische Leitung: Lorenzo Passerini

Gürzenich-Orchester Köln