Besuchte Vorstellung: 17. September 2019
Bei seiner Inszenierung von Puccinis „Madama Butterfly“ lässt sich Intendant Stefano Mazzonis di Pralafera ein bisschen vom Musical „Miss Saigon“ inspirieren: Im 3. Akt kommt Pinkerton mit dem Hubschrauber angeflogen und landet auf dem Dach des heruntergekommenen Mietshauses, in dem Cio-Cio-San jetzt wohnt.
Meist erlebt man im belgischen Liege brave und solide Inszenierungen in traditionellen Bühnenbildern. Diese Erwartung wird im ersten Akt voll erfüllt, denn der inszenierende Intendant bedient bei dieser Koproduktion mit dem Puccini Festival in Torre del Lago alle Butterfly-Klischees: Kostümbildner Fernand Ruiz kleidet Cio-Cio San im klassischen Kimono, Pinkerton glänzt in weißer Ausgehuniform, während der zwielichtige Heiratsvermittler Goro lange Haare und Sonnenbrille trägt.
Das Bühnenbild von Jean Guy-Lecat trägt auch seinen Teil dazu dabei, dass man sich szenisch in die 60er Jahre zurückversetzt fühlt: Links sieht man ein einstöckiges traditionelles japanisches Haus. Grundstück und Garten sind von einer Mauer umgeben. Bei so viel Realismus überrascht es, dass der Ausstatter auf eine japanische Landschaft verzichtet. Anstatt, dass im Hintergrund Prospekte hängen, befindet sich hinter dem Anwesen nur eine große Dunkelheit.
Im zweiten Akt macht die Ausstattung jedoch einen Zeitsprung in die Gegenwart: Cio-Cio San wohnt in einem Mietshaus. Will der Regisseur damit übertrieben deutlich machen, wie lange sie auf Pinkerton warten will? Oder sehen wir hier eine andere Frau aus der Gegenwart, die das gleich Schicksal erlitten hat?
Origineller ist die Idee, dass Cio-Cio San gar kein Kind bekommen hat, sondern sich dieses bloß einbildet. Deutsche Regisseure hätten aus diesem Einfall ein großes Psycho-Feuerwerk entwickelt. In Liege wird der Einfall fast nebensächlich abgehandelt und als Schlusspointe genutzt, wenn Kate Pinkterton bemerkt, dass sich im Kinderwagen kein Baby, sondern nur eine Attrappe befindet.
Generalmusikdirektorin Speranza Scapucci lässt Puccinis Partitur großformatig ausspielen. Sie setzt in den dramatischen Momenten auf schneidende Klänge und straffe Rhythmik, betont aber auch den filmmusikartigen Exotismus der Musik. Sehr sorgfältig führt Scapucci die Sänger, die in dieser Aufführung nie vom Orchester überdeckt werden.
Die Partien sind rollendeckend besetzt: Yasko Sato ist eine lyrische Cio-Cio-San mit einer hellen Stimme. Höhensicher und mit purem Wohlkang singt Tenor Dominick Chenes den Pinkerton. Der Sänger versteht es, trotz des arroganten Charakters der Figur, diese auch sympathisch wirken zu lassen. Trotz schöner Stimme gestaltet Mario Cassi den Sharpless etwas zu unauffällig.
Unangenehm und kalt klingt jedoch der Mezzo von Sabina Willeit als Suzuki. Saverio Fiore holt aus der Partie des Goro auch schöne melodische Momente heraus und verzichtet darauf die Rolle zu karikieren. Mit kräftigem singt Bassist Luca Dall´Amico den Onkel Bonzo.
Als nächste Inszenierung zeigt die Opera Royal eine Koproduktion mit der Pariser Opera Comique. Vom 18. bis 26. Oktober gibt es Christoph Willibald Glucks „Orphée et Eurydice“ in der Bearbeitung von Hector Berlioz.
(c) opera royal
Rudolph Hermes, 20.9.2019