Lausanne: „Norma“, Vincenzo Bellini

Der Regisseur, Bühnenbildner, Kostümbildner, Lichtregisseur und Choreograph in einem Stefano Poda ist wieder in Lausanne und präsentierte eine wunderbar gigantische Norma. Wenn er eine Produktion anführt, kommen die Zuschauer in Scharen und alle Vorstellungen sind bereits vor der ersten Aufführung ausverkauft. Seine Arbeiten sind grandios und bezaubern das Lausanner Publikum seit Beginn an. 2016 inszenierte er Ariodante und Faust, im 2017 die Lucia di Lammermoor, im 2019 Les Contes d’Hoffmann und 2022 eine bemerkenswerte Alcina. In der letzten Spielzeit von Intendant Eric Vigié wird Stefano Poda im Juni 2024 den Nabucco inszenieren. Für Eric Vigié ist dieser Abschluss absolut der Höhepunkt und er kann sich mit va pensiero sull’ali dorate verabschieden. Ob eine weitere Zusammenarbeit nach der Intendanz Vigié bestehen bleibt ist noch unbekannt, wäre aber mehr als wünschenswert.

(c) Guy Python

Das Bühnenbild ist karg und mit sehr viel Licht durchflutet, der Irminsul ist ein riesiger Baum mit grossen Wurzeln den die Druiden unentwegt anbeten. Kommt Pollione der Römer auf die Bühne, erscheint auch das Pantheon. Sei es als Miniatur auf den Boden gestellt oder als riesige Dekoration vom Bühnenhimmel heruntergelassen.

Im zweiten Teil der Aufführung werden in grossen und kleinen Lettern der Name Norma mehrfach aufgestellt. Sie sind wie Legosteine mit denen die beiden Kinder spielen und immer wieder verädern. Sie schreiben damit andere Wörter wie amor, amo oder roma.

Das Sängerensemble ist ebenfalls bemerkenswert.

Francesca Dotto singt eine souveräne Norma. verfügt über eine überaus schöne stimmliche, farbenreiche Substanz, eine Ausgeglichenheit in allen Lagen mit wunderbarer, klangvoller Tiefe und mutiger, furchtlos und sicher attackierter Höhe. Was erwartet man mehr von einer Norma? Sehr eindringlich wurde der Charakter Normas herausgearbeitet, wie sie mit dem Messer, ihre eigenen Kinder umbringen will (als Rache für Polliones Treuebruch) und dann doch zum Glück ihre Mutterliebe überhandnimmt.

Höhepunkte einer Norma-Aufführung sind die wunderbaren Duette Norma-Adalgisa. Auch da wurde man gestern Abend in Lausanne nicht enttäuscht. Denn mit Lucia Cirillo stand eine großartige Adalgisa auf der Bühne. Sie gestaltete die Partie der jungen Priesterin und Rivalin Normas mit satter, dramatisch aufblühender Stimme, stilsicher phrasierend und in Farbe, Musikalität und Intonation perfekt mit Norma harmonierendem Singen.

Etwas leise in der Stimme aber dafür höhensicher sang Paolo Fanale den römischen Feldherrn Pollione sehr effektvoll. Der hochgewachsene Nicolai Elsberg gestaltete mit grossem Bass einen zwielichtigen Oroveso. Der Mezzo-Sopran Eléonore Gagey war eine beachtliche Clotilde mit angenehmer Stimmführung und eleganter Präsenz. Beachtlich war auch Jean Miannay als Flavio, Begleiter Polliones. Seine strahlende Tenorstimme ist sehr gefällig.

Diego Fasolis Dirigat war fulminant, hatte immense glutvolle Eindringlichkeit und melodienwebende Intensität und wurde der feinen Rhetorik mehr als nur gerecht. Auch der Choeur de l’Opera de Lausanne hat hervorragende Leistung erbracht und glänzte seit der ersten Minute.

Am Schluss bejubelte das begeisterte Publikum die Aufführung mit nicht enden wollenden Ovationen. Was für ein wunderbarer Opernabend!

Marcel Burkhardt 10. Juni 2023

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)


Norma

Vincenzo Bellini

Lausanne

Regisseur, Bühnenbildner, Kostümbildner, Lichtregisseur und Choreograph: Stefano Poda

Dirigat: Diego Fasoli