Pr 08.09.2017 – Wiederaufnahme 02.11.2018, besuchte Aufführung 11.11.2018
Ausverkauftes Haus in Meiningen ist begeistert von Tosca und neuen Sängern
Wie schon so oft fuhr ich diesmal wieder mit einigen Freunden nach Meiningen und diesmal waren es stattliche 78 Personen, die in einem Doppelstöcker saßen. Und wieder einmal haben wir die Fahrt nicht bereut, im Gegenteil, selten waren meine Freunde so einhellig begeistert, begeistert von der schnörkellosen, eindrucksvollen und realistischen Inszenierung von Ansgar Haag und den tollen Stimmen der Meininger Protagonisten, dabei zwei, die zum ersten Mal von uns zu hören waren und von denen wir wünschen, dass sie noch lange auf dieser Bühne agieren werden. Warum ich und meine Freunde so gerne nach Meiningen fahren, liegt in erster Linie daran, dass man hier praktisch nie einen kompletten Ausfall erlebt, sondern im Gegenteil, hochinteressante, manchmal diskussionswürdige aber vor allem musikalisch bestechende Aufführungen, die meilenweit über dem normalen Durchschnitt mancher Opernhäuser liegen.
Regie führte wie bereits erwähnt der Intendant des Meininger Staatstheaters. Er bringt den Hintergrund der historischen Geschichte punktgenau auf die Bühne, alles ist erkennbar, alles kann man problemlos nachvollziehen. Klar, überzeugend, das Stück und nicht den Regisseur in den Vordergrund stellend, eine wirklich tolle und stimmige Inszenierung. Dieter Richter ist für das Bühnenbild zuständig und auch er beeindruckt mit imposanten, etwas düsteren, der Oper jedoch völlig angepassten Bauten, sei es eine Kirche, sei es die große hoch emporschießende Gerüstkonstruktion, auf welcher der Maler Cavaradossi in schwindelnden Höhen agiert.
Die Kostüme von Renate Schmitzer sind völlig der damaligen Zeit entsprechend, akkurat, formschön, teilweise richtige Hingucker, alles passt zusammen, alles fügt sich in das Szenario ein. Bühne und Kostüme sind eindrucksvoll aufeinander abgestimmt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Tatsache, dass „Tosca“ in der Regie von Intendant Ansgar Haag vom Förderverein Theaterfreunde Meiningen aus 20 Inszenierungen zur besten Inszenierung der Saison gewählt wurde. Und ich darf im Vorgriff auf die Besprechung schon eines sagen, dies war völlig zurecht. Selten habe ich eine so stimmige Aufführung erlebt, von der Inszenierung, dem Bühnenbild, den Kostümen, der Hofkapelle bis hin zu den vorzüglichen Sängern, alles war über dem Durschnitt, alles aufeinander abgestimmt, eine wahrhaft meisterliche Gesamtleistung.
Brit-Tone Müllertz – Xu Chang
Die wunderschöne und zeitlose Musik Puccinis wird von der Meininger Hofkapelle vortrefflich dargeboten. Musikalische feurige Leidenschaft, eine komplette Geschlossenheit, das Erarbeiten feinster Nuancen wo es machbar ist und eine stille sängerdienliche Zurückhaltung, um den Wohlklang der Stimmen nicht zu zerstören, zeichnet das Orchester aus. Das liegt natürlich auch daran, dass Mario Hartmuth „seine Musiker“ voll im Griff hat, sie behutsam, zurückhaltend, aber auch feurig und aufbrausend führt. Ein wahrer Meister des Taktstocks. Ein leidenschaftlicher Dirigent, der mit seinem Orchester praktisch atmet und sie zur Höchstleistung anspornt. Das Publikum wird von den leidenschaftlichen Wogen mitgerissen und ist spürbar beeindruckt.
Stan Meus – Shin Taniguchi
Die gebürtige Dänin Brit-Tone Müllertz erlebe ich heute zum ersten Mal und es ist ein berauschendes Erlebnis. Sie gestaltet die Tosca mit einer Leidenschaft und einem stimmlichen Feuer, welches das Publikum zu andächtigem Schweigen bringt und gestaltet so eine Tosca von ganz besonderem Format. Mit mühelos leichtem, klarem kraftvollen leuchtendem und durchschlagskräftigem Sopran, der zur Zurückhaltung in zarten lyrischen Ansätzen fähig ist aber auch zum leidenschaftlichen dramatischem Forte, verzaubert sie nicht nur Cavaradossi sondern auch das Publikum, welches mit stürmischem Applaus die tolle Leistung honoriert. Auch darstellerisch kann sie auf hohem Niveau agieren, auch ihre kraftvolle und ausladende Gestalt füllt die Bühne bis in den letzten Winkel. Ihr durchaus ebenbürtig der Cavaradossi von dem aus Jen-Li in China stammenden Xu Chang. Er, der schon viele Jahre in Meiningen sein Publikum beeindruckt, kann mit seinem kräftigen, hellen und imponierendem Stimmeinsatz, der strahlend alle Höhen meistert punkten. Durchschlagskräftige stählerne Höhen mit metallischem Einschlag tun der Rolle sicherlich sehr gut. Darstellerisch ist er seiner Tosca kein ganz ebenbürtiger Partner, etwas zu statisch tritt er auf, aber man kann nicht alles haben. In jedem Fall eine beeindruckende Leistung, die auch vom Publikum jubelnd honoriert wird.
Shin Taniguchi – Brit-Tone Müllertz
Und dann der neue Bariton am Meininger Staatstheater als Scarpia. Der aus Japan stammende Shin Taniguchi ist, und man kann es nicht anders ausdrücken, eine wahre Bereicherung des Meininger Ensembles. Mit kraftvollem, gelenkigem und wuchtigem Bariton setzt er ein Ausrufezeichen hinter seinen Namen. Ein großes stimmliches Vermögen und eine Ausstrahlung, die fast frösteln lässt, eine dämonische Gestaltung des finsteren Bösewichts, wie ich sie bisher selten erlebt habe. Fast hätte man, aufgrund seiner stimmlichen und darstellerischen Leistung Mitleid mit dem Ende dieses furchtbaren Frauenverführers. Eine ganz tolle Leistung, welche die Freude auf die nächsten Austritte spürbar erhöhen.
In der Rolle des Cesare Angelotti der in Passau geborene Bass Daniel Pannermayr, der seit der Spielzeit 2017/18 neues Ensemblemitglied in Meiningen ist. Er beeindruckt in seiner doch sehr kleinen Gesangsrolle und ich freue mich heute schon auf seinen Osmin in „Die Entführung aus dem Serail“. Positiv fällt auch eines der Meininger Urgesteine, der in Polen geborene Stan Meus auf, der vor allem auch darstellerisch voll beeindrucken kann. Ohne Einschränkungen und sich ins äußerst positive Gesamtbild eingliedernd Mikko Järviluoto als Messner, Marian Krejcik als Sciarrone, Lars Kretzer als Kerkermeister und Marianne Schechtel als Hirt ein.
Schlussapplaus – Shin Taniguchi – Mario Hartmuth – Brit-Tone Müllertz – Xu Chang
Mit dieser Aufführung hat Meiningen wieder einmal gezeigt, dass es, obwohl ein relativ kleines Theater, in der obersten Riege der deutschen Theater anzusiedeln ist. Hier macht Theater Spaß, so soll es sein und so gewinnt man auch neue Zuhörer und Zuschauer, wenn so leidenschaftlich und werkgetreu musiziert wird.
Manfred Drescher, 16.11.2018
Bilder (c) Der Opernfreund / M. Drescher