Wiener Staatsoper, 03.10.2022
Die Schönheit des klassischen Balletts
Mehr als eine Repertoire-Vorstellung bot das Wiener Staatsballett auch in der 4. „Onegin“-Vorstellung dieser Saison. Wer Crankos „Onegin“ am 26.9. verpasst hat: Im Anschluss an die Vorstellung wurde Ioanna Avraam von Ballettdirektor Martin Schläpfer zur 1. Solotänzerin befördert. Absolut zu Recht, denn eine 1. Solotänzerin macht nicht nur eine souveräne Technik aus, sondern auch die Reife und die Intelligenz, grosse Partien zu interpretieren. Und einmal mehr beweist Avraam ihr Können als Tatjana, und wie sehr ihr diese Partie auf den Leib geschrieben ist. Kongenial dazu weiss Eno Peci in der Titelpartie zu überzeugen. Feine Momente gibt es in der subtilen Überlegenheit von Peci und wenn Avraam vor lauter Verliebtheit im 1. kurzen Pas de deux die Hebefiguren einfach nur geniesst und nicht realisiert, dass er sie eigentlich mehr oder weniger stehen lässt und nur aus Höflichkeit mit ihr spazieren geht. Besonders schön ist der Spiegel-Pas de deux, als Onegin im Traum zum Verführer wird, und sehr stark gelingt Avraam der Bruch, wenn Onegin den Liebesbrief zerreisst. Bravos ernten Avraam und Andrey Teterin (Fürst Gremin) für einen schlichtweg wunderschönen Pas de deux. Peci zeigt überdies sehr nachvollziehbar, wie Onegin die Gesellschaft egal ist, sei es im 2. Akt, wo er den älteren Geburtstagsgästen sehr deutlich den Händedruck verweigert, im 3. Akt nur noch abgekämpft vom Leben, die Etikette zwar anfangs wahrend, aber kaum sieht er Tatjana, vergisst er alles um sich herum.
Der finale Pas de deux mit Avraam und Peci ist emotionsgeladen und rührt zu Tränen. Hier sind zwei starke Persönlichkeiten am Werk, die ganz genau wissen, wie man stilvoll ein Drama auf die Bühne bringt.
Davide Dato ist sowohl interpretatorisch, als auch technisch ein herausragender Lenski, der für seine ergreifende Variation im 2. Akt mit Bravorufen bedacht wird. Er ist, wie auch Peci und Avraam, ein Tänzer, der seine Rolle durch und durch versteht und emotional dem Publikum nahebringen kann. Sonia Dvorak ist eine unbekümmerte Olga mit exakten Drehungen, sie wird übrigens demnächst die Titelpartie in Ashtons „La fille mal gardée“ tanzen – sicherlich eine gute Wahl.
Yuko Kato entzückt als Amme durch herrlich-schrullige Mimik, Alexandra Inculet ist vor allem eine elegante Madame Larina, aber wie bereits in der ersten Rezension erwähnt, wirkt sie noch eher wie eine sehr junge Tante der beiden Töchter, denn wie die Mutter.
Das Corps de Ballet überzeugt sowohl als Landgesellschaft, Gäste (vor allem die auf älter gestylten Herren erheitern), als auch als perfekt höfische Gesellschaft. Grossen Applaus gab es für das Orchester der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Robert Reimer.
Folgevorstellungen im Jänner 2023
Katharina Gebauer, 05.10.22
Bilder (c) Staatsballett