Auch in diesem Jahr haben wir unsere Kritiker wieder gebeten, eine persönliche Bilanz zur zurückliegenden Saison zu ziehen. Wieder gilt: Ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen.
Nach dem Staatsstheater Braunschweig blicken wir heute auf die Komische Oper Berlin.

Auch in der Spielzeit 2024/25 hat sich das Konzept der Komischen Oper im zweiten Jahr im Berliner Schillertheater bewährt, und so kann man sich darüber freuen, dass das Intendantenduo Susanne Moser und Philipp Bröking gerade seinen Vertrag bis zum Jahr 2032 verlängert hat. Großereignis im Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof mit Händels Messias, Offenbach vor Weihnachten halbszenisch, Uraufführung einer Kinder-Oper mit Die kleine Hexe, amerikanisches Musical mit Sweeney Todd, Mozart-Da-Ponte-Trilogie mit Don Giovanni und DDR-Operette im Zelt. Letztere, Gerd Naschinskis „Mein Freund Bunbury“, allerdings fiel wegen der Kürzungen des Etats aus, worauf klagend bei jedem dafür vorgesehenen Datum hingewiesen und sogar unterstellt wurde, man hätte die zweite Don-Ottavio-Arie aus diesem Grunde streichen müssen.
Trotzdem blieb es eine sich durch musikalische und inszenatorische Vielfalt auszeichnende Spielzeit, denn dazu kamen noch Echnaton von Philipp Glass in der Regie von Barrie Kosky, Humperdincks Hänsel und Gretel in der Regie von Dagmar Manzel und das von Herbert Grönemeyer vertonte Pferd frisst Hut nach Eugéne Labiche. Dem der Spielzeit im voraus verliehenen Titel „Alles außer gewöhnlich“ blieb man also treu.
Beste Produktion:
Philipp Glass, Echnaton.
Größte Enttäuschung:
Keine, nur partiell die Verse von Herbert Grönemeyer für Pferd frisst Hut.
Beste Regieleistung:
Barrie Kosky für Echnaton.
Bestes Dirigat:
James Gaffigan für Don Giovanni, Jonathan Stockhammer in Echnaton.
Beste Chorleistung:
Erweiterter Chor in Händels Messias unter David Cavelius.
Beste Bühne:
Hänsel und Gretel von Korbinian Schmidt.
Beste Kostüme:
Klaus Bruns für Echnaton.
Beste Sängerleistung (weiblich):
Adele Zaharia als Donna Anna und Virginie Verrez als Freitag.
Beste Sängerleistung (männlich):
Tommaso Barea als Leporello.
Die Bilanz zog Ingrid Wanja.