Wien: „Onegin“

Vorstellung am 26.01.2020

Roman Lazik in der Titelpartie ist nicht nur ein hervorragender Partner – der wahrscheinlich beste Partner der ganzen Company, der noch jede Hebefigur mit einer Gelassenheit meistern kann – sondern lässt gekonnt die Emotionen mit einfliessen. Ist er zu Beginn ein abgehobener Dandy, so glückt ihm der Umbruch im 3. Akt besonders stark und er vermittelt die verzweifelte Liebe zu Tatjana glaubhaft.

Ketevan Papava ist eine echte dramatische Ballerina, die sowohl als verträumtes junges Mädchen, aber vor allem im 3. Akt auf ganzer Linie überzeugt. Gerade wenn sie zu Beginn des 3. Aktes mit Gremin auftritt, ist sie eine grande Dame mit faszinierender Ausstrahlung, und wenn sie zum Schluss in Tränen aufgelöst zurückbleibt (und auch noch beim Applaus sichtlich mit der Fassung ringt), kann man sich sicher sein: diese Tänzerin weiss, was Liebe ist, mehr noch, sie kann es dem Publikum darstellen.

Als Olga ist in dieser Serie erstmals Madison Young (Rollendebüt in der Donnerstags-Vorstellung, wie auch Feyferlik) zu erleben, und nach einer Natascha Mair und Nikisha Fogo dieselbe Partie zu tanzen, ist wahrhaftig eine Herausforderung! Young setzt vor allem auf einen kindlich-trotzigen Charakter im 2. Akt und gibt durchgehend eine mädchenhafte Olga mit flinken Füssen. Jakob Feyferlik ist ein ästhetisch-leidenschaftlicher Lenski, der überdies auch als Partner sehr sicher ist. In einigen Jahren dürfte er auch sehr überzeugend als Onegin sein, wenn man vor allem an seine reife Darstellung als Nijinsky, oder Peer Gynt zurückdenkt, traut man ihm auch diese Partie zu.

Vladimir Shishov, ehemaliger 1. Solotänzer des Wiener Staatsballetts (wurde 2010 übrigens für seine grossartige Interpretation als Onegin zum 1. Solotänzer befördert) ist ein Gremin mit Charisma, und auch wenn er im Pas de deux in erster Linie als „Heber“ fungiert, so ist er dennoch mit seiner Persönlichkeit ein ebenbürtiger Partner für die bezaubernde Papava. Dass es nach deren Pas de deux begeisterte Bravorufe gibt, ist daher nicht verwunderlich.

Als Madame Larina und Amme überzeugen erneut Erika Kovacova und Beata Wiedner. Das Corps de Ballet rundet das Ensemble durch Präzision ab.

Ermanno Florio dirigiert das Orchester der Wiener Staatsoper schwungvoll – einige Momente im 1. und 2. Akt gab es leider, in denen das Tempo untereinander variierte, aber spätestens zum 3. Akt hatte man zum üblichen Niveau gefunden.

Katharina Gebauer, 27.1.2020