Es war wohl ein prophetischer Plan, als die Deutsche Oper am Rhein ihre Inszenierung von Wagners Das Rheingold auf den Spielplan setzte und in Duisburg just zu der Zeit zeigt, in der in Berlin Koalitionsgespräche mit ungedeckten Schulden stattfinden. Die Analogien sind doch zu offensichtlich: Hier die noch unbezahlte Sicherung der Macht durch den Bau der Burg Walhalla durch Wotan, dort die Sicherung der Macht durch unbezahlte Wahlgeschenke von Mütterrente über Pendlerpauschale bis Rüstungsinvestitionen durch die Union und SPD, hier die Ursünde des Raubes an der Natur (Rheintöchter), dort die Fortführung durch mangelnden Klimaschutz bzw. Erpressung der Grünen zur Zustimmung zu Sondervermögen und Schuldenbremsenreform, gar Unterstützung der Fossillobby, hier die Ausbeutung ehrlicher Arbeiter (Riesen), die nicht bezahlt werden, dort – naja, lassen wir das lieber und widmen uns der Aufführung. Die Inszenierung von Dietrich Hilsdorf stammt aus 2017, hat aber nichts an Frische und Unterhaltungswert verloren, wenngleich die Aktualität mit dem Ende der Kohleförderung im Revier verloren ging. Ihr haftet nichts mythisches, welterklärendes an, könnte, dem Bühnenbild und der Kostüme nach zu urteilen, in der Gründerzeit spielen. Die Ursünde scheint sich längst ereignet zu haben, den Alberich raubt nichts Dingliches – dies ist zu Beginn der eine Moment, der die Zuschauer ratlos lässt, der andere ist am Ende, wenn die Götter unentschlossen auf der Bühne bleiben, aber die Saalbeleuchtung erglimmt. Dazwischen aber gibt es viel logische Handlung, von allen Protagonisten mit viel Spielfreude realisiert und von einigen spektakulären Effekten begleitet. Besonders hervorzuheben sind Fasolt und Fafner, die, entledigt aller beschränkenden Riesenhaftigkeit, als gewitzte wie respektlose selbständige Handwerker agieren. Die um Fasolt trauernde Freia hat Peter Konwitschny in seinen Dortmunder Rheingold (am selben Abend auf der Bühne) übernommen. Dass Hilsdorf auch hinhören kann, zeigt sich am Schluss, wenn Wotan nicht nur seinen Speer (der sonst fast nur unbenutztes Requisit ist) in der Hand hält, sondern auch ein Schwert, das Fafner ihm gnädig überlassen hat, im Siegfried aber dann von demselben getötet wird, zum Nothung-Motiv hält. – Die zur Premiere 2017 in Düsseldorf vielfach geäußerte Kritik an dieser Inszenierung, auch hier im Opernfreund, ist mittlerweile kaum noch nachzuvollziehen.
An der musikalischen Qualität hingegen hat sich nichts geändert. Der neue GMD Vitali Alekseenok gibt an diesem Abend seinen Einstand in Duisburg, und das mit einer überzeugenden Leistung. Von Anbeginn an lässt er die Duisburger Philharmoniker mit großer Präzision, leuchtendem Klang, hoher Transparenz und rhythmischem Drive spielen. In den Ensemble-Szenen überdeckt er nichts, setzt nötige Akzente und lässt in den Szenenwechseln und am Ende kraftvoll, aber immer klangschön aufspielen. Erstklassig auch die Solistenriege: Ein schon etwas älterer, aber stets autoritativer Wotan mit eher heller Stimmfärbung ist Oliver Zwarg als Gast, Anna Harvey eine Fricka mit Isolde-Potenzial (Gänsehaut erzeugend bei „Wotan, Gemahl, unsel’ger Mann! Sieh, wie dein Leichtsinn lachend uns allen Schimpf und Schmach erschuf!“), David Stout (auch ein Gast) als Alberich weiß charaktervoll stets die Balance zwischen Gehässigkeit und Aufbegehren zu wahren, Florian Simson als Mime und Cornel Frey als Loge sind ebenso ausdrucksvolle wie stimmschöne Charaktertenöre ohne Keifen und sonstigen Übertreibungen, Anke Krabbe (Freia), Stefan Heidemann (Donner) und Jussi Myllys (Loge) runden die Götterschar ohne Ausfälle ab, Thorsten Grümbel (Fasolt) und Sami Luttinen (Fafner) sind gestandene, eindrucksvolle Riesen, Lavinia Dames, Kimberley Boettger-Soller und Maria Polańska akustisch wie optisch (im Sinne der Inszenierung)verführerische Rheintöchter, und Ramona Zaharia hat einen beschwörenden Auftritt als Erda. Fazit: Wagners Rheingold sollte man sich dort antun, wo Rhein und Maloche sich berühren, nämlich in Duisburg.
Bernhard Stoelzel, 10. März 2025
Das Rheingold
Richard Wagner
Deutsche Oper am Rhein Duisburg
9. März 2025
Premiere 23. Juni 2017 in Düsseldorf
4. November 2017 in Duisburg
Inszenierung: Dietrich Hilsdorf
Musikalische Leitung: Vitali Alekseenok
Duisburger Philharmoniker
Folgevorstellungen: 12. und 28. März, 4. April 2025