Die Herzlichkeit, mit der sich Intendant Hein Mulders und GMD Francois-Xavier Roth umarmten, war schon beeindruckend, war dies doch in der Vergangenheit unter Intendantin Birgit Meyer alles eher von einer gewissen Frostigkeit getragen. Nun aber die neue „Bromance“. Das ist für ein Haus natürlich nicht schlecht, jedoch wird Roth Köln in zweieinhalb Jahren verlassen, aber dies sei verraten – als Gast soll er wiederkommen. Mulders, der in Essen durchwachsen erfolgreich war, obschon man ihm zugestehen muss, dass er nach der Lichtgestalt Stefan Soltesz eigentlich kaum die Chance hatte alles richtig zu machen, zeigt nun zum ersten Mal, wie er die Weichen für die hochproblematische Kölner Oper stellen wird. Die noch laufende Spielzeit trägt punktuell die Handschrift des Niederländers, vieles stammte aber noch aus der Ära der Vorgängerin, die man von Seiten der Stadt etwas unelegant vor die Tür gesetzt hatte. Kulturdezernent Stefan Charles zeigt sich erfreut über die gute Auslastung, trotz schwieriger Situation im Interim. Dieses Interim soll aber auch ein Ende haben und so betonen alle, dass sie zuversichtlich sind, dass die nun vorgestellte Spielzeit die letzte im Staatenhaus sein wird. 2024 geht es an den Offenbachplatz.
Was Mulders und Roth in der letzten Spielzeit auf den Spielplan stellen ist beachtlich, wenn auch nicht außergewöhnlich. Bilderstürmerei, Raritäten oder Experimente konnte man bei Mulders auch nicht erwarten und das ist sicherlich auch nicht falsch, denn das Verständnis der Stadtgesellschaft für das Milliardengrab Oper ist doch angekratzt und so macht es Sinn das Haus mit Blockbustern und behutsam dosierter Randbebauung hoffentlich gut zu füllen. Mulders zeigt, dass er auf ein solides Repertoire setzt. Mit „Idomeneo“, „Un ballo in maschera“ und einer „lustigen Witwe“ schließt er Lücken im Repertoire und holt populäre Stücke auf die Bühne, die seit rund 20 Jahren nicht mehr liefen. Das kann man so machen. Warum es schon wieder ein „Liebestrank“ (eine Koproduktion mit Aix-en-Provence) sein muss bleibt fraglich. Vielleicht ist es die Idee jetzt das Populäre zu spielen, bevor es am Offenbachplatz einen Belcanto-Zyklus geben könnte, den Mulders „nicht ausschließen will“. Schön wäre es, denn natürlich ist das Interim gerade für so feine Musik nicht ideal und die bedeutend bessere Akustik des Opernhauses würde hier viel mehr bieten.
Immerhin eröffnet eine „Frau ohne Schatten“ die Saison, ein Paukenschlag, der Bekenntnis zur ganz großen Oper ist und mit interessanten Rollendebüts aufwartet. Freunde der Barockmusik kommen mit „L’incoronazione di Poppea“ auf ihre Kosten. Im Bereich neuer Musik kommt es gleich zu zwei Uraufführungen: Frank Pesci zeichnet für die Komposition von „The Strangers“ verantwortlich, Ondrej Adamek erarbeitet zusammen mit Katharina Schmitt, die das arg verkopfte Projekt „INES“ vorstellen darf, dessen Name nicht nur Frauenname, sondern Bezeichnung für die Skala atomarer Unfälle ist. Was sich in den langatmigen Ausführungen Schmitts letztlich herausstellt ist, dass es eine Adaption des „Orpheus“-Stoffs mit atomarer Durchwirkung sein wird. Warum auch immer.
Flankiert wird das Programm von zahlreichen Wiederaufnahmen (u.a. „Cosi“, „Peter Grimes“, „Tosca“, „Faust“ und eine halbszenische Produktion/Wiederaufnahme der „Soldaten“ in der Kölner Philharmonie, dieses Mal aber szenisch arrangiert von Calixto Bieto). Eine Vielzahl an weiteren Angeboten, mit denen die Oper sich in die Stadt begibt und von Kindergarten bis Seniorenheim mit speziellen Angeboten aufwartet, beeindruckt und zeigt, wie sehr der neuen Intendanz daran gelegen ist, dass Oper nahbar und für alle Bürger ist.
Die letzte Premiere der Spielzeit, „die Perlenfischer“ findet konzertant statt, da man hier schon planmäßig an den Offenbachplatz umzieht und dies, so Mulders, ein „größeres logistisches Unterfangen“ ist. Apropos planmäßig – auf die Frage, was denn passiere, wenn die Oper nicht pünktlich fertig sei, antwortet Mulders lachend, dass es einen Plan B gebe. Bleibt zu hoffen, dass dieser nicht benötigt wird.
Mulders erste Spielzeit macht Laune in die Oper zu gehen. Der Niederländer setzt auf Bewährtes, holt interessante Dirigenten und Regisseure und setzt auch mit Koproduktionen neue Akzente und positioniert die Kölner Oper wieder internationaler als Birgit Meyer es jemals getan hat. Eine Frage, die erlaubt sein muss, ist, wie es sein kann, dass ein GMD nur eine Premiere in der Spielzeit dirigiert und es darüber hinaus auch nur bei zwei Wiederaufnahmen belässt? Noch ist Herr Roth in Köln angestellt, auch wenn die Koffer scheinbar bereits gepackt sind.
Sebastian Jacobs, 21. März 2023