Buchkritik: „Theater in Bayern“

Dass Bayern ein Kulturstaat ist, weiß man ja nicht nur, weil man die bayerische Verfassung gelesen hat. Dass dieser Kulturstaat zugleich ein Theater-Staat ist, zeigt nicht allein der Blick in die Geschichte der CSU. Wesentlich haltbarer als die diversen Parteivorsitzenden sind all die Theaterräume, die nun in einem opulenten wie informativen Buch dem staunenden Zuschauer präsentiert werden: von den ältesten Häusern (wie dem einzigartigen, für eine andernorts nirgendwo mehr erhaltene barocke Festkultur stehenden Markgräflichen Opernhaus zu Bayreuth) bis hin zur Gegenwart mit ihren beiden exzeptionellen Theaterbauten im Stil eines individuellen Brutalismus; Schweinfurt und Ingolstadt sind, so betrachtet, durchaus denkmalwürdige, übrigens originell geplante Theater. Nicht weniger als 37 bayerische Sprech-, Musik-, Kinder- und Lichtspiel-Theater, geordnet nach Landesteilen (wobei Franken mit 13 Objekten den Band eröffnet), wurden also zwischen zwei Buchdeckeln äußerst deliziös verewigt – man fragt sich, wieso dies nicht schon früher geschah, bevor der für die bayerische Landeskultur zuständige Volk-Verlag ein Opus magnum herausbrachte, das es so oder so ähnlich noch nicht gab. Man mag die Opernhäuser Bayreuth, Coburg, Nürnberg, Hof, Regensburg, auch die Musiktheaterbühnen in München (das baulich äußerst charmante Gärtnerplatztheater, das Bayreuth nachempfundene Prinzregententheater), die Schatzkisten des Passauer Opernhauses und des Stadttheaters Fürth bestenfalls schon mal besucht haben – erst in der Zusammenschau ergibt sich der Blick auf eine Theaterlandschaft, die tief in die jeweiligen bürgerlichen und adligen, katholischen und protestantischen Landesteile zurückreicht.

Der Band erzählt, so konzis wie möglich und so ausführlich wie nötig, von den Gründungsgeschichten der Architekturen, in die manch Haus hineingebaut wurde, er berichtet von den mal mehr (Bamberg), mal weniger (Markgrafentheater Erlangen) gravierenden Umbauten, berichtet dank der örtlichen Theaterleute von den gegenwärtigen Nutzungskonzepten und spezifischen Dramaturgien – und bietet das alles in prachtvollen Fotos, die beides zugleich sind: Dokumentationen unvergleichlicher, kostbarer und wunderschöner Häuser – und ungeheure Lustmacher. Denn wer bei der Lektüre des Buchs nicht auf die Idee kommt, eines der ältesten deutschen Kinos (in Hof), die altehrwürdigsten, rund 200 Jahre alten und noch in Gebrauch befindlichen, also sensationellen und wunderschönen Theatervorhänge (in Kaufbeuren und Kempten), ein in Bayern und weit darüber hinaus einzigartiges Jugendstilhaus (die Münchner Kammerspiele), die bayerischen Bauernbühnen mit ihren liebenswürdig geschmückten Holzeinrichtungen und die anderen Theater in Franken, Ober- und Niederbayern, der Oberpfalz und Bayerisch-Schwaben zu besuchen, die zwischen der Frühen Neuzeit und der zweiten Nachkriegszeit entstanden und meistens über die Jahrhunderte weg liebevoll gepflegt, erneuert und dem jeweiligen Kunststil angepasst wurden – der könnte sich am Ende sagen lassen, dass beim Theater schon deshalb die „Kultur im Denkmal“ spielt, weil die Kultur im besten Fall mit dem Genuss und der Lebensfreude zu tun hat. Also: Auf zum klassizistischen Landestheater Coburg, zum Münchner Theater für Kinder, zum Neorokoko-Haus in Fürth und zum einzigartig historistschen Augsburger Parktheater im Kurhaus Göggingen. Theater in Bayern sagt einem einfach mit geschmackvollem Nachdruck, warum es sich lohnt, demnächst wieder ein Bayern- und ein Theaterticket zu kaufen.

Frank Piontek, 16. Dezember 2022


„Theater in Bayern.“

Kultur im Denkmal

Schauspiel- und Opernhäuser, Volksbühnen, Marionettentheater und Kinos

Hrg. von Mathias Pfeil.

Volk Verlag 2022

264 Seiten, opulent bebildert. 49,90 Euro.