Premiere: 11.06.2021, besuchte Vorstellung: 12.06.2021
Großes Open-Air-Musical auf der Wilhelmsburg
Lange Zeit stand die Premiere des Musicals „Dracula“ von Frank Wildhorn auf der Wilhelmsburg in Ulm auf der Kippe. Allerdings fielen auch hier zuletzt die Corona-Inzidenzen deutlich, so dass die Premiere am 11. Juli 2021 planmäßig über die Bühne gehen konnte. Und gleich vorweg, das Theater Ulm hat ein sehr durchdachtes Sicherheitskonzept entwickelt, so dass man sich rund um den Theaterbesuch im Freien bestens aufgehoben fühlte. Auch das Wetter spielte perfekt mit, am gesamten Premierenwochenende war der Himmel über Ulm strahlend blau und die Temperaturen auch am späteren Abend noch angenehm. Den Beginn hatte das Theater bewusst auf 20.30 Uhr gelegt, so dass der gesamte zweite Akt nach Sonnenuntergang gespielt wurde und die vielen Lichteffekte ihre ganze Wirkung entfalten konnten. Doch vorab kurz zum Inhalt des Musicals. Das Programmheft erklärt den Inhalt recht treffend für „ein Publikum unter Zeitdruck“, so dass diese Inhaltsbeschreibung hier kurz wiedergegeben werden soll: „Der junge Anwalt Jonathan Harker verschafft dem düsteren Grafen Dracula recht unfreiwillig einen Wohnsitz in London. Dracula ist ein Vampir, doch Jonathan begreift das Unvorstellbare zu spät. Längst treibt der Graf in der Weltmetropole sein Unwesen und stellt vor allem Harkers Ehefrau Mina nach, in die er sich verliebt hat. Blut tränkt seinen Weg. Nur der Vampirologe Abraham van Helsing und ein paar mutige Männer stellen sich mit Minas Hilfe dem vermeintlichen Monster in den Weg.“
Gespielt wird die deutsche Übersetzung von Roman Hinze in der Orchestrierung von Koen Schoots. Die Titelrolle übernimmt in Ulm Thomas Borchert, der bereits bei der deutschsprachigen Erstaufführung in St. Gallen sowie bei der auf CD erschienen Grazer Inszenierung die Rolle des Grafen Dracula verkörperte. Auch die weiteren Rollen sind in Ulm hochkarätig besetzt. Mit Patrick Stanke als Professor van Helsing gelang dem Theater ein Glücksgriff, die Rolle scheint dem bekannten Musicaldarsteller geradezu auf den Leib geschrieben zu sein, ganz hervorragend. Als Mina Murray kann Alexandra-Yoana Alexandrova mit einer klaren Stimme überzeugen, die auch die höchsten Töne genau trifft. Philip Schwarz (Jonathan Harker), Navina Heyne (Lucy Westenra) und John Davies (Renfield) füllen die weiteren Hauptrollen exzellent, doch auch darüber hinaus ist die Produktion bis in die kleinste Rolle treffend besetzt. Dazu kommen der Opernchor und der Extrachor des Theater Ulm, so dass stellenweise bis zu 50 Darsteller auf der Bühne stehen, sowas hat man lange nicht mehr erleben dürfen.
Die Inszenierung von Alex Balga ist konsequent auf die Geschichte gerichtet und weiß durch eine geschickte Personenführung zu gefallen. Auf überflüssigen Schnick-Schnack oder allzu überzogene Deutungen wird zum Glück verzichtet. Dennoch werden immer wieder sehenswerte Akzente gesetzt, insbesondere bei den Vampir-Angriffen. Ob dabei nun unbedingt ein Baby verspeist werden muss, kann dann vielleicht einfach mal unbeantwortet stehen bleiben. Die Ausstattung liegt bei Petra Mollérus, die sehr schöne Kostüme geschaffen hat. Die große Bühne bietet, wie bei Open-Air-Inszenierungen oftmals üblich, rechts und links Räume für kleinere Ortswechsel, die ohne große Umbaumaßnahmen bespielt werden können. Sehr gelungen ist hierbei auch die Abgrenzung zwischen weißem und schwarzem Bühnenboden, um die verschiedenen Handlungsorte voneinander zu trennen. Besonders erwähnenswert sind noch die gelungenen Choreografien von Matt Huet und das Lichtdesign von Michael Grundner, welches vor allem nach der Pause voll zur Geltung kommt.
Unter der musikalischen Leitung von Hendrik Haas spielt das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm sowohl die rockigen wie auch die leisen Nummern des Musicals stehts treffend und auch die Soundabmischung passt perfekt, so dass der Abend dem Musicalfan ein lange nicht mehr erlebtes Glücksgefühl bescheren kann. Dies sahen auch die Zuschauer so, die dem Orchester und allen Darstellern nach rund 2 ¾ Stunden einen langen und intensiven Applaus spendierten. Was das Theater Ulm hier geleistet hat ist aller Ehren wert. Dazu ist auch der Innenhof der Wilhelmsburg sehr nett gestaltet, was den positiven Eindruck des Abends abrundet. Alle Freunde des Musicals, die so lange auf eine neue große Produktion gewartet haben, sollten eine Reise nach Ulm durchaus in Betracht ziehen. Zu sehen ist Dracula dort noch bis zum 23. Juli 2021.
Markus Lamers, 15.06.2021
Fotos: © Jochen Klenk