Düsseldorf: „SACRE“, drei Ballette mit Musik von Strawinsky und Strauss

Zur Musik von Igor Strawinskys Concerto in D schuf Jerome Robbins bereits 1951 eine Choreographie, die seinerzeit vom New York City Ballet uraufgeführt wurde. In seinem Werk The Cage herrscht eine Königin über eine Gemeinschaft von insektenartigen Kreaturen, eine Gemeinschaft, die lediglich aus weiblichen Mitgliedern besteht. In dieser Gemeinschaft wächst eine junge Frau heran, die eines Tages auf ein männliches Wesen trifft. Mehr oder weniger instinktmäßig tötet sie es und wird hierzu von der Königin und dem Volk beglückwünscht. Als sie einige Zeit später erneut auf ein männliches Wesen trifft, scheint dieser Instinkt allerdings nicht zu greifen, vielmehr entwickelt sich zwischen beiden eine recht harmonisch wirkende Beziehung. Erst auf den Befehl der Königin, wird auch der zweite Eindringling von ihr getötet. Ein Netz, welches im oberen Bereich der Bühne (Jean Rosenthal) angebracht wurde, senkt sich über das nach wie vor rein weibliche Volk. Zur Gruppe aus zwölf Tänzerinnen gesellen sich Svetlana Bednenko als Königin und Futaba Ishizaki als Novizin, die sehr eindrucksvoll mit den beiden männlichen Eindringlingen Kauan Soares und Gustavo Carvalho harmoniert. Die Choreographie überzeugt zudem mit ihrer klaren Deutung von insektenartigem Verhalten, starr abgewinkelte Gliedmaßen treffen auf leicht zuckende Bewegungen. Die Tötung der Männer ist besonders treffend hervorgehoben, in denen ihnen erst der Nacken gebrochen wird und sie anschließend mit zangenartigen Bewegungen der Arme endgültig vernichtet werden.

The Cage / © Bettina Stöß

Die beiden männlichen Eindringlinge sind die beiden ersten Opfer des Ballettabends, der von der Deutschen Oper am Rhein mit dem Titel Sacre einen thematischen Überbau erhielt. Entsprechend wird im Programmheft auf die Ableitung des Titels vom französischen sacrifier, auf Deutsch opfern, eingegangen, während sacre gleichzeitig für heilig steht. Warum genau die beiden Männer im ersten Teil des Abends allerdings geopfert wurden bleibt unklar. Auch in der Uraufführung Le Sacre du printemps, die als Finale über diesem Abend steht, bleibt der Grund der Opferung unklar. Optisch beeindruckend ist hier ein schräg ansteigendes Felsmassiv, welches von Bühnenbildner Max Glaenzel entworfen wurde. Auf diesem nähern sich 16 Tänzer und Tänzerinnen immer wieder der Bergspitze, rutschen ab, um den Anstieg anschießend erneut zu versuchen. Zwischendurch rotten sie sich immer wieder in Gruppen zusammen, um sich zu bekämpfen oder gemeinsam Dinge zu entdecken, die allerdings auch weitestgehend unklar bleiben. Das Lichtdesign von Marc Salicrú ist hierbei ebenfalls bildlich beeindruckend. Marcos Morau, ab der kommenden Spielzeit Artist in Residence am Staatsballett Berlin, konzentriert sich bei dieser Uraufführung vornehmlich auf Gruppenbewegungen, die rhythmisch auf die wunderbare Musik von Igor Strawinsky abgestimmt ist. Größere Tanzpartien sind bei diesem Ensemble-Stück nicht vorgesehen, bei dem am Ende der kollektive Selbstmord der Darsteller und Darstellerinnen steht, in dem sich alle mehr oder minder freiwillig vom Berg stürzen. Musikalisch können die Düsseldorfer Philharmoniker bei Igor Strawinskys Le Sacre du printemps unter der musikalischen Leitung von Vitali Alekseenok aus dem Vollen schöpfen, nachdem die ersten beiden Werke des Abends mit etwas kleinerem Orchester besetzt sind.

Le Sacre du printemps / © Bettina Stöß

Zwischen den beiden Strawinsky-Werken ist mit der Uraufführung von The thing with feathers von Ballettdirektor Demis Volpi eine Choreographie platziert, die sich musikalische bei Richard Strauss bedient, der mit Metamorphosen für 23 Solostreicher eine Komposition entwickelte, die eine gewisse Parallelität zu Strawinskys Concerto in D aufweist. Beides sind Auftragswerke von Paul Sacher für sein Orchester und beide Stücke entstanden auch zeitlich nur durch wenige Monate getrennt. Dennoch bildet die Strauss-Musik eine Art Ruhepol des Abends. Volpi schuf zu dieser Musik eine starke Choreographie für seine Ballettcompanie, die einmal mehr die Leistungsfähigkeit dieser stark besetzten Truppe unter Beweis stellt und insbesondere Jack Bruce stark fordert, der dies allerdings bravourös löst.  Zusammen mit Damián Torío und zwölf weiteren Compagnie-Mitgliedern tanzt er sich durch diverse Soli, Pas de deux und kleinere Gruppenszenen, die allesamt schön anzuschauen sind. Lediglich der Bezug zum Thema des Abends bleibt hier verborgen, vielleicht hätte man hierauf in diesem Fall auch komplett verzichten sollen, denn alle drei Werke sind starke Choreographien, die ohne eine Überinterpretation vielleicht noch eindrucksvoller wirken könnten.

The thing with feathers / © Bettina Stöß

Das Düsseldorfer Opernhaus war zur besuchten Vorstellung sehr stark besucht und die Zuschauer erfreuten sich hörbar an einem starken Ballettabend auf hohem tänzerischem Niveau, live begleitet von den Düsseldorfer Symphoniker. Auch wenn der Abend inhaltlich nicht einfach einzuordnen ist, so ist er doch ein sehenswerter Ballettabend, der allerdings nur noch am Pfingstsonntag einmal auf dem Spielplan stehen wird. Und auch hier sind nur noch wenige Restkarten erhältlich. Ein bemerkenswerter Erfolg in dieser Zeit, in der sich die Theatersäle zwar langsam wieder füllen, ein ausverkauftes Haus aber nach wie vor eher eine Ausnahme darstellt.

Markus Lamers, 21. Mai 2023


SACRE

Ballettabend mit Musik von Igor Strawinsky und Richard Strauss

Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf

Besuchte Vorstellung: 19. Mai 2023

Choreographien von Jerome Robbins (The Cage), Demis Volpi (The thing with feathers) und Marcos Morau (Le Sacre du printemps)

Musikalische Leitung: Vitali Alekseenok

Düsseldorfer Symphoniker