Bremen: „La clemenza di Tito“, Wolfgang Amadeus Mozart

© Jörg Landsberg

Maria Louisa, die frisch gekrönte Kaiserin von Böhmen, bezeichnete Mozarts La clemenza di Tito nach der Uraufführung 1791 als „una porcheria tedesca“ – eine „deutsche Schweinerei“. Vielleicht hat es ihr nicht gefallen, dass ein Herrscher auf die Bestrafung der Attentäter und auf sein eigenes Liebesglück verzichtet. Aber die „Milde“ des Titus wurde in moderneren Inszenierungen ohnehin kritisch hinterfragt. Und so durfte man gespannt sein, wie Regisseur Marco Štorman damit umgeht.

Macht und Mord, Liebe und sexuelle Hörigkeit, Verzweiflung und Hoffnung sind die Themen, die in ihrer ganzen Zeitlosigkeit in Mozarts lange unterschätztem Werk (erst Jean-Pierre Ponnelle hat das Stück 1969 in seiner Kölner Inszenierung dem Repertoire wiedergeschenkt) enthalten sind.

Štorman verdeutlicht all diese Aspekte dank intensiver Personenführung in seiner Inszenierung sehr eindrücklich. Er geht allerdings davon aus, dass die Milde des Titus nur vorgeschoben ist, um ein möglichst positives Selbstbild zu erzeugen. Und das soll letztlich nur der Verfestigung seiner Macht dienen. Und so liegt Sesto, der das Attentat auf Titus geplant hatte, am Ende aufgebahrt am Boden. Titus begnadigt also nur eine Leiche.

Štorman legt sich in seiner Inszenierung auf keine bestimmte Zeit fest. Die Mechanismen der Macht finden sich eben nicht  nur im alten Rom. Das Bühnenbild von Frauke Löffel zeigt einen Überwachungsstaat, in dem es keine privaten Rückzugsorte gibt. Holzgestelle fungieren als Wachtürme, Schlossfassade und Balkon. Diese sind mittels Drehbühne in ständiger Bewegung. Das war (zumindest im 1. Akt) vielleicht etwas zu viel des Guten. Gleichwohl unterstreicht die Bühnenausstattung die Zeitlosigkeit des Stoffes. Zeitlos sind auch die Kostüme von Axel Aust. Die Protagonisten und große Teile des Chors sind in schwarze Gewänder gehüllt. In der letzten Szene tritt Titus allerdings in einem weißen Kleid auf und sieht ein bisschen so wie Conchita Wurst aus. Das erzeugt zwar einen gewissen Verfremdungseffekt, überzeugt aber nicht wirklich.

© Jörg Landsberg

Am Pult der Bremer Philharmoniker stand der neue 1. Kapellmeister des Bremer Theaters: Sasha Yankevych ist mit seiner fein austarierten und mit viel Impetus versehenen Lesart von Mozarts reichhaltiger Musik ein glänzender Einstand gelungen. Er war den Sängern ein einfühlsamer Begleiter, gab den lyrischen Teilen breiten Raum, setzte aber auch auf den Punkt zugespitzte dramatische Akzente.

Alle Partien waren sängerisch und darstellerisch bestens besetzt. Diese  Premiere überzeugte nicht zuletzt durch eine sehr homogene Ensembleleistung. An erster Stelle ist da Ulrike Mayer zu nennen, die als Sesto mit ihrem farbenreichen Mezzo und einer emotionalen Gestaltung keine Wünsche offen ließ. Sie konnte die Zerrissenheit, die Gewissensqualen und den jugendlichen Überschwang des Sesto sympathisch und glaubhaft vermitteln. und wurde vom Publikum besonders gefeiert. Oliver Sewell überzeugte als Titus mit seinem schmelzreichen Tenor und sicherer Höhe gleichermaßen. Auch für die lange und kräftezehrende Arie „Ma che giorno è mai questo?“ am Ende der Oper hatte er genügend Reserven. Sarah-Jane Brandon war die zunächst machtbesessene und rachsüchtige Vitellia, die sie mit rollendeckender Schärfe und Kühle sang. Für die Arie „Non più di fiori vaghe catene“ fand sie auch warme und lyrische Töne.

© Jörg Landsberg

Elisa Birkenheier als Servilia und Adèle Lorenzi als Annio verkörperten das jugendliche, für die Hoffnung stehende Paar. Ihr Duett „Ah perdona al primo affetto“ wurde mit bezaubernder Leichtigkeit und ausgesprochenem Wohlklang serviert. Als stets lauernder und bedrohlicher Diener Publio erfüllte Hidenori Inoue seine Aufgabe angemessen. Der von Karl Bernewitz einstudierte Chor zeigte sich wie immer zuverlässig.

Insgesamt ist diese Produktion bestens geeignet, mit Mozarts letzter Oper Bekanntschaft zu machen. Es lohnt sich szenisch und musikalisch.

Wolfgang Denker, 30. März 2024


La clemenza di Tito
Wolfgang Amadeus Mozart

Theater Bremen

Premiere am 28. März 2024

Inszenierung: Marco Štorman
Musikalische Leitung: Sasha Yankevych
Bremer Philharmoniker

Weitere Vorstellungen: 30. März, 4., 7., 12. April, 5., 8. Mai 2024