Düsseldorf: „Eine florentinische Tragödie“

…wenn Sie Zemlinsky-Liebhaber sind !

Premiere 15.6.13

Übelste Opernverhunzung – schlechter geht es kaum noch….

Pressemitteilung der Deutschen Oper am Rhein (Intendanz)

Meine Damen und Herren, liebe weitgereiste Opernfreunde!

Leider müssen wir Ihnen erneut mitteilen, daß wir uns schon wieder erst nach der Premiere des an sich großartigen Opernjuwels "Eine Florentinischen Tragödie" von Alexander Zemlinsky gezwungener Maßen entschlossen haben, dieses Stück ab sofort nur noch konzertant zu bringen. Wir möchten Schaden von unserem Publikum abwenden. Bedauerliche erste Krankmeldungen von Zuschauern, die ich sehr ernst nehme, haben mich entsetzt und sprachlos gemacht.

Die Regisseurin Barbara Klimo hat zusammen mit ihrem Team (Bühne: Veronika Stemmberger / Kostüme: Frank Bloching) das Werk dermaßen verhunzt, daß sich Zemlinsky-Liebhaber, Kritiker und Mitglieder der aus Wien extra angereisten Internationalen Zemlinsky-Gesellschaft spontan krank gemeldet haben. Einige haben sich in ihrer Empörung teilweise schon in der Pause übergeben bzw. mussten wg. bedrohlich gestiegenem Bluthochdrucks und Schnappatmung notärztlich versorgt werden – wie ich hörte, konnten nicht wenige ihre Rückreise nach Wien und in den Rest der Welt gar nicht mehr antreten oder sind in der Düsseldorfer Altstadt versackt, wie die meisten Kritiker und Zemlinsky-Sympathisanten, die das Werk zwar kannten, aber nicht mehr erkannten.

Gott sei Dank hat der Großteil unseres hochgeschätzten Düsseldorfer Publikums dieses Desaster gar nicht erst bemerkt, da das doch sehr unbekannte Werk Gott-sei-Dank vom Regieteam im Programmheft der Rheinoper unter "Handlung" auch völlig falsch dargestellt wurde, so daß sich die Empörung in Grenzen, in noch akklamatorisch höflichen Grenzen, hielten. Wir danken dem friedvollen Publikum.

Der Spruch „nichts (Böses) sehen, nichts (Böses) hören, nichts (Böses) sagen“ nach der Lehre des buddhistischen Gottes Vadjra, den wir ja alle kennen, ist nun leider einmal Bestandteil meines hochdotierten Vertrages als General-Intendant der Rheinoper, so daß ich auch in diesem Fall vorausgehende Warnung wie "Achtung Christoph Meyer, diese Frau arrangiert einen gigantischen Schwachsinn, der nicht das Geringste mit Zemlinsky zu tun hat!" oder "Mensch Meyer, Zemlinsky-Kenner und Opernfreunde, die sich vernünftig vorbereiten, werden sich total verarscht fühlen." alles wie schon beim Skandal-Tannhäuser, ignoriert habe. Als Intendant darf man solchem Vorfeldgeschwätz keinerlei größere Bedeutung zumessen – versteht sich.

Allen Opernfreunden, die dachten, daß wir tatsächlich, wie angekündigt auf den Plakaten, Zemlinskys begnadete Oper "Eine Florentinische Tragödie" bringen würden, tauschen wir bei nachgewiesener Kenntnis des Originalinhalts (durch gezieltes Nachfragen an der Retourkasse, versteht sich) die gekauften Karten natürlich sofort wieder um.

ACHTUNG IRONIE !

Die vorausgehende Meldung ist, mit Verlaub Herr Generalismimus Meyer, natürlich von mir fingiert worden, da ich ansonsten nicht weiter auf diese unsägliche Produktion von Newcomerin Barbara Klimo eingehen werde, die mein Sitznachbar (ein betagter Wiener – weit angereist)) zurecht und von mir unwidersprochen als "verquirlte Sch…" mir ins Ohr flüsterte. "Ich werde meine teuren Fahrtkosten von der Rheinoper zurückfordern, denn das ist Betrug; nicht nur am Werk Zemlinskys!" so der empörte älterer Herr weiter. Recht hat er.

Das war das Schlechteste und Dilettantischste, was mir in sagenhaften 40 Jahren an der Rheinoper Düsseldorf bisher untergekommen ist. Eine Bewertung, der aus meiner Sicht auch völlig überforderten Sänger, erspare ich mir, denn ich gehe davon aus, daß man unter permanenten spastischen Zuckungen, hirnrissigem Bewegungsaktionismus und dümmlichstemKinderkarnevals-Blödsinn kaum eine vernünftige Sangesleistung dieser extrem schwierigen Partien liefern kann.

Bilder sagen mehr als Worte – weinen sie mit mir, verehrte Zemlinsky-Freunde!

Hier der Inhalt des Originals, den wir aber nicht zu sehen bekamen

"Ich kann ertragen Verachtung, Schande von mancher Art, den schrillen Hohn und offenen Schimpf. Doch wer mir irgend etwas stiehlt, das mir gehört, und wär´s auch nur der schlechteste Teller, davon ich meinen Hunger füttre, setzt Seel und Leib auf Spiel bei seinem Frevel und stirbt!“

So singt es der zermürbt nach längerer Dienstreise heimkehrende Tuchhändler Simone, der seine Gattin überraschend zusammen mit dem Stadtplayboy und Barden (Sohn des Statthalters) Guido Bardi antrifft. Den Sex haben sie schon erkennbar hinter sich – dumm, daß Prinz Bardi noch auf die sprichwörtliche Zigarette danach bei seiner Maitresse weilte. Es wird seine letzte sein.

„Ist die ganze mächtige Welt in dieses Zimmers Umfang eingeengt, und hat drei Seelen als Bewohner nur? So sei der dürftige Raum jetzt eine Weltenbühne, wo Herrscher fall´n und unser tatlos Leben der Einsatz wird, um den Gott spielt.

Simone macht noch gute Miene zu bösem Spiel, hat er sofort erkannt, was Sache ist. Und so verdichtet sich die Handlung und geradezu klaustrophobisch nähert sich der Tod dem immer noch sich naiv gebenden Prinzen. Erst als der Raum verdunkelt und die Rolläden geschlossen werden, wird es ihm mulmig. Der anfangs noch spielerische Waffenvergleichendet für den adeligen Spross letal, der im Todeskampf gerade noch stammeln kann:

„Nimm mir vom Hals die Würgefinger; ich bin meines edlen Vaters einziger Sohn“

Worauf ihm der Hausherr mit den Worten die Gurgel zudreht

„Schweig! Dein Vater wird, wenn kinderlos, beglückter sein!“

Die dramatischen Bögen schwappen über zu einer ungeheuren, hochdramatischen Musik, wennner sich nun seinem Weib zuwendet

„Und jetzt zu Dir!“

Der Tuchhändler greift sein Messer und…

… vergibt seiner Gattin zu, die eben noch von ihrem Liebhaber seinen Tod im Zweikampf („Töte ihn! Töte ihn!“) lauthals gefordert hatte. Grund: Zemlinsky untermalt diese Szene mit eine der schönsten Melodien, die jemals ein Komponist für die Oper geschrieben hat, und sie intoniert gänzlich traumverloren, fast exstatisch

„Warum hast Du mir nie gesagt, daß Du so stark?“

Und nach einem großen, mehrfach geteilten Streichermeer, welches Wagner nicht schöner in Noten gesetzt haben könnte, erwidert er fasziniert

„Warum hast Du mir nicht gesagt, daß Du so schön… bist.“

Riesenfortissimo im aufblühenden Orchester, als wären wir in der Walküre erstem Akt wo der Lenz erwacht, während sich beide in die Arme sinken und sich über der Leiche des gerichteten Nebenbuhlers vereinen.

Das hätte sich selbst Wagner niemals getraut! Und die Oper klingt aus in einer Art Erlösungsmotiv, schön wie das der „Götterdämmerung“.

Mehr an Dramatik kann eine Oper binnen einer knappen Stunde nicht bieten. Grandiosere Musik ist nie mehr geschrieben worden. Was Zemlinsky hier für ein kompaktes Musikdrama komponiert hat, ist das Ultimo der Gefühle: Liebe, Gleichgültigkeit, Hass, Hassliebe, Betrug, Mord und Verzeihen. Was für ein Welt-Theater! Und alles in ein gerade mal 60-minütiges dramatisches Wechselbad der Gefühle gesetzt, welches dem Zuschauer förmlich den Atem raubt – wenn es einiger Maßen ordentlich inszeniert wird.

Mehr Musik geht nicht. Mehr Gefühl ist geradezu unmöglich.

Was für hochanspruchsvolle Partien und wie brillant ist die Geschichte doch gesponnen! Dazu ein packender Text von Oscar Wilde. Eine echte Gefahr für Opernfreunde mit Bluthochdruck; aber Hand aufs Herz: kann man zu schönerer Musik sterben? Ich finde nein.

Trauriger Weise hat man nach diesem Düsseldorfer Inszenierungsmüll und in Kenntnis dieser phantastischen leider vergessenen Wahnsinns-Oper, wirklich das Gefühl gleich Sterben zu müssen, ob dieser Ignoranz und Regie-Willkür.

Daher eine Nachricht an meine Hinterbliebenen, wenn es mich tatächlich erwischt: Hallo Freunde! Der Mörder des Kritikers Peter Bilsing ist nicht der Gärtner, sondern ein Herr Christoph Meyer und eine "Regisseurin" namens Barbara Klimo in unseliger Symbiose. Bitte dringend verhaften!

Peter Bilsing / 16.6.

Bilder: Hans Jörg Michel

Ceterum Censeo: Daß die Regisseurin die Tochter des Weltstars Edita Gruberova ist, hat sicherlich nicht das Geringste mit ihrer Bestallung zu tun, oder doch?