Reisebilanz V: Tops und Flops der „Saison 2024/25“

Nachdem die Rezensentin überwiegend über Bonn und Köln berichtet hat, entdeckte sie die vielfältige Opernlandschaft des Rhein-Ruhr-Gebiets.


Beste Produktion: Dortmund, Der Ring des Nibelungen
Intendant Herbert Germershausen hat mit seinem Ring des Nibelungen in der Regie des Altmeisters Peter Konwitschny eine für ein städtisches Opernhaus in einer Stadt, die eher durch ihre Fußballmannschaft glänzt, ein überregional beachtetes Musikereignis geboten. Die Dortmunder Philharmoniker unter Gabriel Feltz, der Dortmunder Opernchor und ein hochkarätiges Solistenensemble -Tomasz Konieczny als Wotan, Stephanie Müther als Brünnhilde, Matthias Wohlbrecht als Loge, Samuel Youn als Hagen Daniel Frank als Siegfried und Joachim Goltz als Alberich und als Gunther legten den Gedanken nahe, dass Katharina Wagner besser diesen Ring auf die Bühne gebracht hätte. Es war jedenfalls nicht nur gut musiziert, sondern auch als konsequent durchgehaltenes episches Theater eine echte Meisterleistung.

Ausgrabung des Jahres Essen: Aida in der Inszenierung von Dietrich Hilsdorf von 1989
Das Aalto-Theater ist der schönste Opernbau im Rhein-Ruhr-Gebiet. Man kann nicht sagen, dass Verdis Aida selten gespielt wird, aber Dietrich Hilsdorfs Inszenierung mit dem Bühnenbild und Kostümen von Johannes Leiacker von 1989 war für mich eine absolut stimmige und schlüssige Version des Werks. Aida und Amneris als zwei Diven im Abendkleid auftreten zu lassen, den Hohepriester im katholischen Bischofsornat – absolut genial.

Beste Wiederaufnahme Düsseldorf
Dass man diese Inszenierung des Otello in Düsseldorf von Thomas Thalheimer von 2016 im Bühnenbild von Henrik Ahr mit Kostümen von Michaela Barth 2025 wieder aufgenommen hat, ist eine Großtat. Konsequent sind alle schwarz gekleidet, nur das Taschentuch und Desdemonas Brautkleid, in dem sie begraben werden möchte, sind weiß. Im Hinblick darauf, dass die Debatte über das Blackfacing seit einiger Zeit an Fahrt aufgenommen hat, entschied man sich, das Stigma von Otellos Geburt als „Mohr“ durch eine kalkweiße Maske anzudeuten. Das Dirigat von Axel Kober erzeugte kristalline Klarheit und Spannung vom ersten bis zum letzten Ton.

Beste Gesangs- und Darstellungsleistung Herren:
Martin Muehle
stellte Otello in Düsseldorf psychologisch präzise und stimmgewaltig dar. Der Verfall des siegreichen gefeierten Feldherrn, der mithilfe einer billigen Intrige zum Opfer einer Rachepsychose wird, wurde von Muehle mit allen Facetten, aber nie überzeichnet, ausgedrückt. Aufgrund der abstrakten Inszenierung erkannte man gleich, dass Otello ein zeitloses Stück über einen Femizid ist.

Beste Gesangs- und Darstellungsleistung Helena Juntunen als Salome in Wuppertal, die als die frühreife Nymphomanin und verwöhnte Prinzessin alles gab.

Nachwuchssängerin des Jahres:
Die in Berlin geborenen tschechische Mezzosopranistin Štĕpánka Pučálková in Beatrice di Tenda in Düsseldorf als kurzfristig eingesprungene Agnese del Maino. Eine wahrhaft „schöne Stimme“.

Beste Regie Roland Schwab mit Parsifal in Essen
Roland Schwab inszenierte das Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner, in dem dieser seine Spiritualität ausdrückt, als beklemmende Dystopie im Bühnenbild von Piero Vinciguera, das in der Gestalt des Zeittunnels „Zum Raum wird hier die Zeit“ visualisiert. Das Zitat der berühmten Installation „TV-Garden“ von Nam June Paik als Zaubergarten, in dem Parsifal mit sich selbst konfrontiert wird, überzeugte als szenische Umsetzung. Eine solche Deutung könnte auch in Bayreuth gefallen.

Bestes Bühnenbild: Eugen Onegin in Duisburg
Mir hat das karge Bühnenbild von Henrik Ahr in der Inszenierung von Michael Thalheimer ausnehmend gut gefallen, weil es die Enge der gesellschaftlichen Verpflichtungen bei Eugen Onegin ausdrückt. Die Reduktion der Requisiten auf zwei Pistolen und einen Stuhl fokussierte die Aufmerksamkeit auf die Gefühlsregungen der durchweg sehr guten Solistinnen und Solisten und auf die intelligente Personenführung.

Bestes konzertante Aufführung: Beatrice di Tenda in Düsseldorf und in Duisburg
Von der selten gespielten Belcanto-Oper Beatrice di Tenda von Vincenzo Bellini in Düsseldorf unter der musikalischen Leitung von Antonino Fogliani waren wir so begeistert, dass wir sie in Duisburg noch einmal besucht haben. Die Handlung ist so klar, dass es unerheblich ist, wo das Ganze spielt: Hauptsache, es wird sehr gut gesungen. Antonio Fogliani schuf mit den Duisburger Philharmonikern, dem Chor der Oper am Rhein und dem erlesenen Solistenensemble mit Stacey Alleaume in der Titelpartie, Bogdan Baciu als Filippo und Maria Kataeva, in Düsseldorf Štĕpánka Pučálková, als Agnese den perfekten Belcanto-Genuss.

Größte Überraschung war für mich, dass die Zauberflöte, die in Düsseldorf gespielt wurde, eine Wiederaufnahme der berühmten Inszenierung von Barrie Kosky und Suzanne Andrade war, die in Kooperation mit der Komischen Oper Berlin 2013 in Duisburg, 2014 in Düsseldorf Premiere hatte. Ich war begeistert von diesem Gesamtkunstwerk aus Videoprojektionen im Stummfilm-Stil von Paul Barritt und der szenischen Umsetzung durch das hochkarätige Ensemble.

Gelungenste Komödie mit Tiefgang: Falstaff in Gelsenkirchen in der Inszenierung des künftigen Generalintendanten Frank Hilbrich überzeugte in der humorvollen, aber nie platten Umsetzung unter der Leitung von Rasmus Baumann auf der ganzen Linie. Benedict Nelson gab einen Falstaff, der der Gesellschaft einen Spiegel vorhielt und niemals seine Würde verlor.

Bestes Dirigat: Salome in Wuppertal unter der Leitung von GMD Patrick Hahn in der Regie von Andrea Schwalbach mit Michael Kupfer-Radecki als Jochanaan und Helena Juntunen als Salome hielt einen vom ersten Takt an im Bann. GMD Patrick Hahn steigerte das Orchester zu Höchstleistungen und einem beeindruckenden Spannungsbogen. Das Verhängnis in Echtzeit!

Gute Oper lebt von guten Dirigenten und kompetenten Regisseuren. Hier seien genannt Peter Konwitschny, Dietrich Hilsdorf, Roland Schwab, Barry Kosky und Thomas Thalheimer. Wenn die Regie stimmt, wird es wenigstens gutes Theater. Weniger ist manchmal mehr:  Die Dirigate von Axel Kober (Otello), Antonio Fogliano (Beatrice di Tenda) und Patrick Hahn (Salome) bedurften keiner spektakulären Requisiten und Kostüme, sie wirkten durch die Kraft der Musik.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich die Wagner-Opern für Das Opernmagazin rezensiert habe, weil ich Wagners Opern faszinierend finde. Die Auswahl habe ich in den meisten Fällen nach Stücken, Dirigenten und Regisseuren getroffen.


Es reiste für Sie Ursula Hartlapp-Lindemeyer.