Auch in der neuen Spielzeit hat die Oper Frankfurt noch Rückstände aus der Coronazeit aufzuholen. So stehen mit Donizettis Don Pasquale, Verdis Aida, Ligetis Le Grand Macabre, Offenbachs Banditen und Zemlinskys Traumgörge gleich fünf Neuproduktionen auf dem Spielplan 2023/24, die bereits in vergangenen Spielzeiten geplant waren und die den pandemiebedingten Schließungen zum Opfer gefallen waren. Und die Liste der nachzuholenden Produktionen ist damit noch nicht einmal vollständig abgearbeitet. Etwa Mussorgskis Boris Godunow und Henzes Prinz von Homburg warten noch immer auf ihre zweite Chance.
Überraschend ist, daß sich unter den angekündigten Premieren Werke befinden, die in der Ära des Intendanten Bernd Loebe bereits in ansehnlichen Produktionen erfolgreich gespielt wurden, so Mozarts Nozze di Figaro, Händels Giulio Cesare und Wagners Tannhäuser. Das erklärt der Intendant in der Pressekonferenz zur Vorstellung des Spielplans in zwei Fällen mit den Wünschen beteiligter Künstler. Die Werke Richard Wagners gehörten nun einmal zum Kernrepertoire des neuen Generalmusikdirektors Thomas Guggeis, und da dessen Vorgänger Sebastian Weigle dieses Repertoire nahezu vollständig abgegrast habe, sei für Guggeis ein neuer Tannhäuser angesetzt worden. Händels Giulio Cesare werde man deswegen neu inszenieren, weil die international gefeierte Sopranistin Pretty Yende sich die Rolle der Cleopatra gewünscht habe.
Pretty Yende ist einer der wenigen internationalen Star-Namen, die sich auf den Besetzungszetteln der neuen Spielzeit finden. Ein weiterer ist der Tenor John Osborn, der den Éléazar in Halévys La Juive singen wird. Auch Maria Bengtsson kann hier noch genannt werden, die in der Titelpartie der mustergültigen Daphne-Produktion zurückkehren wird. Ansonsten kann Intendant Loebe aus seinem Ensemble annähernd 90 Prozent der Partien besetzen, auch und gerade Hauptrollen. Dabei gibt es im Ensemble Künstler, die weltweit an den großen Häusern gastieren, etwa Claudia Mahnke, die als Amneris in Aida debütieren wird, oder Andreas Bauer Kanabas, der als Ramfis in Aida und Landgraf im Tannhäuser in zwei Premieren besetzt ist und zudem seine bewährten Rollenporträts als Filippo in Don Carlos und Sarastro in der Zauberflöte vertiefen wird.
Daß ein vor allem mit jungen Nachwuchshoffnungen prall gefülltes Ensemble durchaus auch das Luxusproblem hervorbringen kann, alle Künstler bei der Stange zu halten, sieht man an der Riege der jungen Prachtbaritone, die sich geradezu gegenseitig auf den Füßen stehen. Nach glänzend bewältigten Bewährungsproben in den vergangenen Spielzeiten bekommen sie nun endlich die Filetstücke ab. Domen Križaj etwa wird als Wolfram von Eschenbach und Rodrigo in Don Carlos eingesetzt, Iain McNeil als Jago in Verdis Otello, Danylo Matviinko als Figaro-Graf, Mikołaj Trąbka immerhin als De Siriex in Fedora und in tragenden Partien bei L‘italiana in Londra und Don Pasquale.
Offenbar (noch?) keinen Platz im festen Ensemble hat Loebe für das Opernstudiomitglied Nombulelo Yende gefunden. Völlig zu Recht schwärmt der Intendant in der Pressekonferenz von ihrem Einsatz als Tatiana in Eugen Onegin vor wenigen Monaten. Sofort habe er Ideen für weitere wichtige Partien gehabt. Aber da war die Planung für die neue Spielzeit wohl zu weit fortgeschritten. So verbleibt nur eine einzige halbwegs adäquate Rolle: Micaëla in Carmen. Freuen darf man sich auch auf ihren Auftritt als Solosopran in Verdis Requiem bei den Museumskonzerten. Hoffentlich hat die junge Sängerin die Geduld, auf Einsätze in Frankfurt in ferneren Spielzeiten zu warten, die ihrer herrlichen Stimme angemessen sind.
Mit Elena Villalón gab auf der Pressekonferenz ein neues Ensemblemitglied, über dessen Verpflichtung Loebe sich hoch zufrieden zeigte („Da ist uns was Besonderes gelungen“), eine Kostprobe ihres Könnens mit einer Arie von Mozarts Susanna, als die sie auch in der Eröffnungsspielzeit der neuen Saison besetzt ist.
Die Bewältigung des Spielplanes mit Bordmitteln ermöglicht bislang die unverändert hohe Schlagzahl von elf Neuproduktionen trotz bedrückender Sparvorgaben durch die Stadtpolitik. Neben den genannten Premieren wird es noch zwei absolute Raritäten geben: Die unbekannte frühe Mozart-Oper Ascanio in Alba und eine Kammeroper von Wolfgang Fortner mit dem sperrigen Titel In seinem Garten liebt Don Perlimplin Belisa. Zu Recht weist der Intendant zudem darauf hin, daß die spektakuläre Produktion von Rimski-Korsakows Die Nacht vor Weihnachten erstmals einem größeren Publikum vorgestellt wird, da die Premierenserie wegen der Corona-Beschränkungen nur vor jeweils 250 Zuschauern gespielt werden durfte.
Vielversprechend sind die Regienamen, etwa Vasily Barkhatov mit Grand Macabre, Lydia Steier mit Aida, der am Haus vielfach bewährte Tilmann Köhler mit Le Nozze di Figaro und Der Traumgörge, aber auch der Geheimtipp Matthew Wild mit Tannhäuser, dessen fesselnde Regie von Katia Kabanova vor einigen Jahren am Staatstheater Wiesbaden Bernd Loebe zu Recht als herausragend würdigt.
Am Schluß können die anwesenden Journalisten dem Intendanten doch noch eine Stellungnahme zur ewigen Diskussion um einen Neubau der städtischen Bühnen entlocken. Dabei geht er sehr deutlich auf Distanz zur derzeit favorisierten „Spiegellösung“ zweier Neubauten am Willy-Brand-Platz mit einer Interimszeit der Oper im zuerst zu errichtenden Schauspielhaus. Dieses sei mit 600 Sitzplätzen zu klein. Man werde in diesem Fall Abstriche beim Repertoire machen müssen und erhebliche Einnahmeverluste haben. Er gebe deswegen immer noch nicht die Hoffnung auf den Neubau eines Opernhauses in der „Kulturmeile“ auf bisherigem Sparkassen-Grund auf, was den Vorzug habe, daß man den Spielbetrieb im alten Haus bis zur Fertigstellung des neuen uneingeschränkt aufrechterhalten könne.
Michael Demel, 10. Mai 2023
Premieren
Gaetano Donizetti
Don Pasquale
Samstag, 23. September 2023 (Bockenheimer Depot)
Musikalische Leitung: Simone Di Felice
Inszenierung: Caterina Panti Liberovici
Wolfgang Amadeus Mozart
Le nozze di Figaro
Sonntag, 1. Oktober 2023
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis / Alden Gatt
Inszenierung: Tilmann Köhler
György Ligeti
Le Grand Macabre (Frankfurter Erstaufführung)
Sonntag, 5. November 2023
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Vasily Barkhatov
Giuseppe Verdi
Aida
Sonntag, 3. Dezember 2023
Musikalische Leitung: Erik Nielsen
Inszenierung: Lydia Steier
Wolfgang Amadeus Mozart
Ascanio in Alba (Frankfurter Erstaufführung)
Sonntag, 17. Dezember 2023 (Bockenheimer Depot)
Musikalische Leitung: Alden Gatt / Lukas Rommelspacher
Inszenierung: Nina Brazier
Jacques Offenbach
Die Banditen (Frankfurter Erstaufführung)
Sonntag, 28. Januar 2024
Musikalische Leitung: Karsten Januschke
Inszenierung: Katharina Thoma
Alexander Zemlinsky
Der Traumgörge (Frankfurter szenische Erstaufführung)
Sonntag, 25. Februar 2024
Musikalische Leitung: Markus Poschner
Inszenierung: Tilmann Köhler
Wolfgang Fortner
In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa (Frankfurter szenische Erstaufführung)
Freitag, 22. März 2024 (Bockenheimer Depot)
Musikalische Leitung: Takeshi Moriuchi
Inszenierung: Dorothea Kirschbaum
Georg Friedrich Händel
Giulio Cesare in Egitto
Sonntag, 24. März 2024
Musikalische Leitung: Simone Di Felice
Inszenierung: Nadja Loschky
Richard Wagner
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg
Sonntag, 28. April 2024
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Matthew Wild
Fromental Halévy
La Juive
Sonntag, 16. Juni 2024
Musikalische Leitung: Henrik Nánasi
Inszenierung: Tatjana Gürbaca
Wiederaufnahmen
Richard Strauss
Daphne
Sonntag, 17. September 2023
Musikalische Leitung: Lothar Koenigs
Inszenierung: Claus Guth
Giuseppe Verdi
Don Carlo
Samstag, 7. Oktober 2023
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: David McVicar
Umberto Giordano
Fedora
Sonntag, 15 Oktober 2023
Musikalische Leitung: Carlo Montanaro
Inszenierung: Christof Loy
Friedrich von Flotow
Martha
Samstag, 11. November 2023
Musikalische Leitung: Victorien Vanoosten
Inszenierung: Katharina Thoma
Nikolai A. Rimski-Korsakow
Die Nacht vor Weihnachten
Freitag, 15. Dezember 2023
Musikalische Leitung: Lawrence Foster
Inszenierung: Christof Loy
Richard Strauss
Salome
Samstag, 6. Januar 2024
Musikalische Leitung: Leo Hussain
Inszenierung: Barrie Kosky
Wolfgang Amadeus Mozart
Die Zauberflöte
Freitag, 2. Februar 2024
Musikalische Leitung: Marie Jacquot / Takeshi Moriuchi / Alden Gatt
Inszenierung: Ted Huffman
Georges Bizet
Carmen
Samstag, 2. März 2024
Musikalische Leitung: Giuseppe Mentuccia
Inszenierung: Barrie Kosky
Domenico Cimarosa
L’italiana in Londra
Samstag, 30. März 2024
Musikalische Leitung: Julia Jones
Inszenierung: R.B. Schlather
Richard Strauss
Elektra
Donnerstag, 9. Mai 2024
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Claus Guth
Gioachino Rossini
Otello
Freitag, 17. Mai 2024
Musikalische Leitung: Sesto Quatrini
Inszenierung: Damiano Michieletto
Giuseppe Verdi
Otello
Samstag, 22. Juni 2024
Musikalische Leitung: Sesto Quatrini
Inszenierung: Johannes Erath
Wolfgang Amadeus Mozart
Die Entführung aus dem Serail
Samstag, 29. Juni 2024
Musikalische Leitung: Giedrė Šlekytė
Inszenierung: Christof Loy
Liederabende auf der großen Bühne
Paula Murrihy Mezzosopran
Dienstag, 26. September 2023
Andrè Schuen Bariton
Dienstag, 19. Dezember 2023
Cameron Shahbazi Countertenor
Dienstag, 16. Januar 2024
Adriana González Sopran
Dienstag, 20. Februar 2024
Nicholas Brownlee Bassbariton
Dienstag, 19. März 2024
Samuel Hasselhorn Bariton
Dienstag, 23. April 2024
Christiane Karg Sopran
Dienstag, 11. Juni 2024
John Osborn Tenor
Montag, 8. Juli 2024