Braunschweig: „Eugen Onegin“

Zum Zweiten

Vorstellung am 21. Februar 2020

Premiere am 17. Januar 2020

Alternativbesetzung

In der Inszenierung mit sparsamster Ausstattung und nicht immer einsichtigen Regieeinfällen der Braunschweiger Operndirektorin Isabel Ostermann konnte man jetzt die Alternativbesetzung in den Hauptpartien erleben. Bei dem Ablauf der „Lyrischen Szenen“ irritierten wieder die Auftritte des Fürsten Gremin in den ersten Bildern, der merkwürdige maskenhafte Auftritt von Triquet, die Alpträume Tatajanas („Kinderhochzeit“) und Onegins („Herumtanzen“ mit Lenski nach dem Duell) sowie die durchgehend schwarze Kostümierung der Choristen in Festtagskleidung aus verschiedenen Jahrhunderten (vgl. Besprechungen unten).

Milda Tubelyte/Kwonsoo Jeon/Ekaterina Kudryavtseva/Zachariah N. Kariithi

Dagegen war auch die Alternativbesetzung darstellerisch und stimmlich von achtbar hohem Niveau; es ist schon erstaunlich, dass wie in der Premiere die Protagonisten mit Ausnahme der Larina (Edna Prochnik mit starkem, in vielen dramatischen Partien gestähltem Mezzo) aus dem Haus besetzt werden konnten. Zachariah N. Kariithi aus Kenia gab den Eugen Onegin nach Vorgabe der Regie als freundlichen, unkomplizierten Nachbarn und nicht als arroganten Schnösel, was vielleicht glaubhafter erscheinen ließ, dass sich Tatjana so unsterblich in ihn verliebt. Stimmlich kam er vor allem am Schluss bei den dramatischen Steigerungen an seine Grenzen; vielleicht kommt der Onegin für den jungen Sänger doch noch zu früh. In den lyrischeren Teilen allerdings konnte sich sein farbenreicher Bariton deutlich besser entfalten. Tatjana war Ekaterina Kudryavtseva, die in dieser dankbaren Partie beweisen konnte, dass sie nach der Mimi nun endgültig ins jugendlich-dramatische Fach hinein gewachsen ist. Sie gestaltete das schüchterne, schwärmerische Mädchen ebenso glaubwürdig wie später die gestandene, zu ihrem Ehemann haltende Frau. In der berühmten Briefszene berührten einen besonders die wunderbaren Piani; außerdem gelangen ihr die dramatischeren Passagen höhensicher und ungemein ausdrucksstark. In der Rolle des unglücklichen Lenski überzeugte mit glaubhafter Darstellung Kwonsoo Jeon, der seinen charakteristischen Tenor mit dem erforderlichen Glanz versah und sich in der traurigen Abschiedsarie klug zurückhielt.

Zachariah N. Kariithi/Ekaterina Kudryavtseva/Jisang Ryu

Die kleine Partie des Fürsten Gremin, der die wohl bekannteste Arie über die Liebe zu singen hat, war Jisang Ryu anvertraut, der mit in allen Lagen gleichmäßig fülligem Bass aufwartete. Erneut erfreute Milda Tubelytė als Olga durch ihre Munterkeit im Spiel und ihren in allen Lagen ausgeglichenen Mezzosopran. Als gebrechliche Amme Filipjewna war auch Zhenyi Hou wieder dabei, deren voll timbrierter Mezzo die Rolle gut ausfüllte. Schließlich ergänzten solide Sungmin Kang als erneut ausgesprochen stimmschöner Triquet, Rainer Mesecke (Saretzki) und Peter Hamon (Hauptmann).

Wenn auch der von Georg Menskes und Johanna Motter einstudierte Chor im Walzer bei Tatjanas Namenstagfest etwas wackelte, beeindruckte ansonsten die Ausgewogenheit und Fülle des Klanges. Am Pult des an diesem Abend vor allem im ersten Teil wegen einiger ungleichmäßiger Ansätze bei den Holzbläsern und Horn-Problemen nicht durchweg überzeugenden Staatsorchesters stand erneut Braunschweigs GMD Srba Dinić, der alles souverän zusammenhielt und deutlich auf Dramatik setzte, was man sonst in den „Lyrischen Szenen“ so nicht hört.

Das Publikum im leider viel zu dünn besetzten Haus spendete lang anhaltenden, starken Applaus.

Fotos: © Björn Hickmann

Gerhard Eckels 22. Februar 2020