Nürnberg: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2023/24“

Auch in diesem Jahr haben wir unsere Kritiker wieder gebeten, eine persönliche Bilanz zur zurückliegenden Saison zu ziehen. Wieder gilt: Ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen.

Nach der Semperoper Dresden blicken wir heute auf das Staatstheater Nürnberg .


Beste Produktion (Gesamtleistung):
Lucia di Lammermoor: weil hier ein aus den Tiefen des 19. Jahrhunderts stammendes Stück für die Gegenwart verständlich und musikalisch souverän gemacht wurde.

Entdeckung des Jahres:
Die „Wiederentdeckung“ eines leider erstaunlich aktuellen und musikalisch guten Stücks: Jesus Christ Superstar.

Beste Gesangsleistung (Hauptpartie):
Julia Grüter als volltönend-sensible Donna Anna in Don Giovanni: sehr bewegend.
Hinreissend auch Dorina Garuci als soulig-starke Maria Magdalena in Jesus Christ Superstar.
Samuel Hasselhorns lyrisch-dramatischer Don Giovanni.

Beste Gesangsleistung (Nebenrolle):
Nicolay Karnolsky als Raimondo in Lucia di Lammermoor – ein Sänger-Darsteller, der noch die kleinste Wurzn interessant gestaltet.

Bestes Dirigat:
In Hindemiths Mathis der Maler holte Roland Böers Orchesterleitung auch die lyrischen und dramatischen Höhepunkte aus dem als „sachlich“ verschrienen Werk heraus.

Beste Regie:
Ilaria Lanzino wertete zwar die Geschichte von Lucia di Lammermoor geschlechtermäßig um, enthüllte aber, mit Blick auf die Gegenwart, auf überzeugende Weise die menschlichen Abgründe des Werks.

Bestes Bühnenbild:
Jens Kilians „Kirche“ im zweiten Akt des Don Giovanni: ein symbolisches und gleichzeitig ein gutes Spiel-Bild.

Beste Chorleistung:
Die Grals-Chöre im Parsifal: ein akustisches Erlebnis unter dem Chorleiter Tarmo Vaasks.

Größtes Ärgernis:
Nach wie vor: einige Sichtachsen im Opernhaus.


Die Bilanz zog Frank Piontek.