CD: „Arabella Steinbacher“, Bruch und Korngold

Eine schöne Kombination verschiedener Konzerte für Violine und Orchester bietet die aktuelle CD mit der Geigerin Arabella Steinbacher, eine Wiederveröffentlichung aus dem Jahr 2012, erschienen bei Pentatone.

Wenn ein Komponist ein Violinkonzert geschrieben hat, welches meisterlich spätromantische Pracht mit feinster Süße kombinierte, dann war dies Erich Wolfgang Korngold. Das einstige Wunderkind, mit seinen hinreißenden Bühnenwerken „Die Tote Stadt“ oder „Violanta“, machte große Karriere als der Filmkomponist in Hollywood in den 1930er und -40er Jahren. In jener Zeit erschien auch sein einziges Violinkonzert. Der große Geiger Jascha Heifetz verhalf diesem Solitär zur Weltgeltung.

Arabella Steinbacher und der sie begleitende Dirigent Lawrence Foster nehmen sich besonders viel Zeit, die Schönheiten dieses Werks in das Zentrum ihrer Interpretation zu stellen. Steinbachers makellose Technik und der warme Klang ihrer Stradivari gewährleisten ein besonderes Hörerlebnis, bei welchem vor allem Kulinariker auf ihre Kosten kommen dürften. Die gelegentliche Überzuckerung kommt der zuweilen süßlichen Musik sehr entgegen. Wie ein Kinderspiel durchmisst Steinbacher die recht ausgeprägten Schwierigkeiten des Konzertes. Selbst in den größten Sprüngen und Trillern bewahrt Steinbacher einen anmutigen Vortrag.

Ernest Chausson vertonte seine Komposition „Poème für Violine und Orchester“ in drei Fassungen: die hier eingespielte Orchesterfassung, dann eine für Violine und Klavier sowie eine dritte für Violine, Klavier und Streichquartett. „Poème“ erhielt seine Inspiration von einer Turgenjew-Romanze: zwei Künstler, ein Maler und ein Musiker, lieben dasselbe Mädchen. Sie wählt den Maler und sie leben glücklich zusammen. Der Musiker ist am Boden zerstört und kann seinen Verlust nicht akzeptieren. Er kehrt mit einer Zaubergeige aus Indien zurück. Er spielt eine Melodie, die das Mädchen verzaubert. Sie schlafwandelt in den Garten auf den Geiger zu, aber ihr Mann folgt ihr, der den Musiker in eifersüchtiger Wut ersticht. Einige Zeit später spielt das Mädchen auf der Orgel eben diese Melodie. Während sie spielt, spürt sie plötzlich, wie das Leben in ihr wieder zu pulsieren beginnt.

Chausson verstand seine Komposition nicht programmatisch. Ihm ging es um die dichte und von Spannung erfüllte Atmosphäre. Für die Violine ist das Werk ein Schaustück, zahllose Doppelgriffe und Sprünge fordern den Interpreten nachhaltig. Arabella Steinbacher gelingt es gemeinsam mit Lawrence Foster, eine dichte Erzählung zu entwickeln. Farben und Atmosphäre werden hinreißend getroffen.

Max Bruch war zu seinen Lebzeiten kein leichter Zeitgenosse. Leicht geriet er in Wut, wenn man ihn auf sein erfolgreichstes Werk, sein g-moll Violinkonzert ansprach. Er schätzte es nicht so sehr, wie die Interpreten und wünschte sich für seine Sinfonien und Chorwerke mehr Beachtung. Wie dem auch sei, er konnte nicht verhindern, dass sein Violinkonzert zu den beliebtesten Werken seiner Gattung zählt.

Arabella Steinbacher bleibt in diesem so viel gespielten Werk als Interpretin eher zurückhaltend und lässt die Musik für sich selbst sprechen. Dies gelingt vor allem durch ihre famose Technik, die es vermag, die spieltechnischen Schwierigkeiten für den Zuhörer komplett auszublenden. Obwohl in drei Sätze untergliedert, wirkt der Vortrag wie ein ununterbrochener Erzählstrang. Lustvoll und tänzerisch überschäumend gestalten Steinbacher und Foster den Schluss.

An dieser Stelle muss auch das feine Orchesterspiel des Orquestra Gulbenkian aus Lissabon gewürdigt werden. Homogen im Zusammenspiel und aufmerksam in den Solobeiträgen begleitet der Klangkörper unter der souveränen Leitung des erfahrenen Lawrence Foster seine Solistin vorbildlich.

Ein besonderes Erlebnis ist die fabelhafte Klangqualität, die jedes Detail natürlich und betont dynamisch abbildet.

Dirk Schauß, Mai 2023


Erich Wolfgang Korngold(1897-1957)

Violinkonzert in D (1945)

Ernest CHAUSSON (1855-1899)

Poème für Violine und Orchester (1896)

Max BRUCH (1838-1920)

Violinkonzert Nr. 1 g-moll (1862)

Arabella Steinbacher, Violine

Orquestra Gulbenkian

Lawrence Foster, Leitung

Lissabon, Juli 2012

PENTATONE PTC 5187 088