Berlin: „Les pêcheurs de perles“, Georges Bizet

© Donata Wenders

Ach, hätte er doch lieber immer wieder die Taste „Vissi d’arte“ der Jukebox in San Francisco gedrückt und nicht mit Bizets Perlenfischern versucht, die durch zeitweise Erfolglosigkeit trübe Stimmung zu vertreiben! Jeder erfahrene Sänger hätte aus jeder Inszenierung von Tosca etwas machen können. Oder hätte er sich von einem immer wieder wiederholten „Hojotoho“ aufheitern lassen, denn die Walküre hat Richard Wagner ohne Chor komponiert, und die überraschende Nichtinszenierung des Chors in der französischen Oper wäre ihm und dem Publikum erspart geblieben. So aber gab es vor dem großen Ereignis viel Tamtam um die erste Operninszenierung des erfolgsverwöhnten Wim Wenders an der Berliner Staatsoper und danach lange Gesichter, wenn auch keine laute Missfallenskundgebung, im Publikum und wütende Aufschreie im Feuilleton.

© Donata Wenders

Tenorarie und Tenor-Bariton-Duett waren in Deutschland die einzigen Überlebenden aus Bizets frühem Werk Les pêcheurs de perles und Trostspender im fernen San Francisco für den damals noch beruflich glücklosen Regisseur gewesen, so dass er sich bei Daniel Barenboim ausgerechnet dieses Werk für einen ersten Operninszenierungsversuch gewünscht hatte. Nicht bedacht hatte er wohl, wie dünn die zunächst in Mexiko angesiedelte, dann, der Freude an exotischen Stories geschuldet, nach Ceylon verlegte Geschichte war, wie viel musikalisches Flachland es zwischen den beiden den Ohren und dem Herzen schmeichelnden Höhepunkten gibt und welch wichtige Rolle der Chor spielt. Diese offensichtlichen Mängel zu vertuschen waren weder ein langweiliges, nur aus Sand und Tüchern bestehendes Bühnenbild (David Regehr), noch zeitlose Allerweltskostüme (Montserrat Casanova) geeignet. Streckenweise hatte man das Gefühl, Beleuchtung (Olaf Freese) und Windmaschine hätten die Aufgaben der Regie übernommen. Nur ganz zum Schluss konnte der einsame Zurga vor dem weiten Meer Rührung erzeugen.

© Donata Wenders

Eine solche Produktion ist nur mit exzellenten Sängern zu retten, und die hatte die Staatsoper auch für die Wiederaufnahme aufbieten können. Wie in der Premiere sang Olga Peretyatko, damals noch mit dem Namenszusatz Mariotti die Leila. Inzwischen ist sie nur noch Peretyatko und 2021 Mutter geworden, hat ihrer Tochter Maya eine CD mit Wiegenliedern gewidmet hat. Die Mutterschaft hat, wie man es oft bei Sängerinnen feststellen kann, die einst zarte Sopranstimme runder und wärmer gemacht, ohne dass sie ihre Flexibilität verloren, das Vibrato an Überzeugungskraft verloren hätte. Bereits in der Premiere hatte Gyula Orendt den Zurga gesungen, nun klingt auch die mezza voce wunderbar frei, die Höhe ist farbig, die Stimme in allen Lagen wie aus einem Guss. Neu war als Nadir der russische Tenor Dmitry Korchak, der Höhensicherheit und Aplomb seines an Rossini geschulten Tenors einsetzen konnte, leider aber fast durchweg im Dauerforte das Ätherische der Partie und die ihr innewohnende Dolcezza vermissen ließ. Eine starke optische wie akustische Präsenz hatte Paul Gay für den Nourabad und verlieh dadurch der Partie im Vergleich zur Premiere mehr Gewicht. Der Chor (Dani Juris) konnte sich ganz aufs Singen konzentrieren und tat dies mit schönstem Erfolg. Das tief versenkte Orchester unter Victorien Vanoosten ließ viel Esprit, Eleganz und Duftigkeit vernehmen und trug wesentlich zum Erfolg des Abends bei.

Ingrid Wanja, 4. Januar 2024


Les pêcheurs de perles
Georges Bizet

Staatsoper Berlin

Besuchte 18. Vorstellung am 4. Januar 2024
nach der Premiere am 24. Juni 2017

Inszenierung: Wim Wenders
Musikalische Leitung: Victorien Vanoosten
Orchester der Staatsoper Berlin

Trailer