Reisebilanz VII: Tops und Flops der „Saison 2024/25“

Anregendste Produktionen:
Die Kombination von Bernd Alois Zimmermanns Requiem für einen jungen Dichter mit Morton Feldmans Rothko Chapel am Staatstheater Darmstadt. Die Produktion bewirkt zunächst ein szenisch-musikalisches Neuronengewitter und läßt dann Raum für einen meditativen Nachklang.

Fin de Partie an der Lindenoper Berlin: Szenisch raffinierte Umsetzung von Samuel Beckets absurdem Theater mit starken Sänger-Schauspielern.

Größtes Ärgernis:
Ebenfalls Staatstheater Darmstadt: Die Stumme von Portici. Regisseur Paul-Georg Dittrich verzettelt sich in seinen disparaten Ideen und demoliert das Stück. Ein szenischer Totalschaden.

Suggestivste Produktionen:
Zwei Opern von Philip Glass: The Fall of the House of Usher am Staatstheater Mainz und Echnaton an der Komischen Oper Berlin. Die tranceartige Wirkung der Musik wird in beiden Produktionen höchst unterschiedlich, aber adäquat szenisch eingefangen.

Größte Enttäuschung:
Die Frau ohne Schatten an der Deutschen Oper Berlin.
Tobias Kratzers in Interviews geäußerte Gedanken zu dem Stück waren wesentlich intelligenter als seine trostlose Inszenierung. Die angekündigte „Entzauberung der Märchenwelt“ ist ihm vollständig gelungen – zum Schaden des Stücks. Die stattdessen gezeigte szenische Magerkost war über weite Strecken sehr zäh.

Albernste Ausstattung:
Nabucco an der Lindenoper Berlin: Anna Netrebko als Rauschgoldengel (musikalisch übrigens fulminant), das Volk Israel als fleißige Bienchen in einer Wabenwand –  eine der (unfreiwillig) komischsten Produktionen der Saison mit geradezu einfältigen Erläuterungen der Regisseurin im Programmheft.

Größte Verwunderung:
Der Erfolg des Musicals Addams Family (in Mainz und deutschlandweit): dünne Story, harmlose Musik. Lebt einzig von den gut nachgeahmten Originalfiguren.

Netter Versuch:
Sita von Gustav Holst am Staatstheater Saarbrücken: Die Uraufführung nach 118 Jahren zeigt einen Komponisten auf der Suche nach einer eigenen Handschrift. Gefunden hat er sie erst in den Planeten. Eine verdienstvolle Ausgrabung, die wohl keine Nachahmer finden wird.


Es reiste für Sie Michael Demel.