Beim Label BR Klassik ist eine weitere Aufnahme mit einer Sinfonie Gustav Mahlers erschienen. Seine 7. Sinfonie wurde 2011 unter der Leitung von Bernard Haitink mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks aufgeführt und aufgezeichnet. In gleicher Besetzung gibt es auch die Sinfonien 3, 4 und 9. Haitink, der bescheidene Diener der Musik, formulierte einmal sein Unverständnis darüber, wenn Dirigenten wiederholt die gleichen Werke einspielen. Er selbst war dabei keine Ausnahme! Gustav Mahler begleitete ihn sein ganzes, langes Leben. Und als langjähriger Chef spielte er mit seinem Concertgebouw Orkest alle Sinfonien ein. Es folgten viele weitere Aufnahmen, z.B. mit den Berliner Philharmonikern, dem Chicago Symphony Orchestra und eben dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (SodBR). Unter den deutschen Orchestern gilt das SodBR als d a s Mahler Orchester. Kubelik, Maazel und Jansons führten Mahlers Sinfonien komplett auf. Leider konnte sich keiner der Dirigenten, so auch Haitink, durchringen, eine Version der 10. Sinfonie aufzuführen. Ein Fehler, denn Mahlers finales Opus lag in wesentlich kompletterer Form vor als beispielsweise Mozarts Requiem.
Gustav Mahlers 7. Sinfonie ist ein Werk voller Leidenschaft und Emotionen. Es wurde zwischen 1904 und 1905 komponiert und gehört zu den weniger populären Werken von Mahler. Die Sinfonie besteht aus fünf Sätzen und hat eine Gesamtdauer von etwa 80 Minuten. Haitink hat Mahlers 7. Sinfonie vielfach dirigiert und ist bekannt für seine tiefgründige Interpretation dieses Werks. Seine Erfahrung und sein Können als Dirigent sind in dieser Aufnahme überaus deutlich zu hören. Mit großer Stilsicherheit lässt er die Musik für sich selbst sprechen und achtet genau darauf, jedes Detail zu offenbaren. Mit dem SodBR hatte Haitink eine lange Zusammenarbeit. Auch in dieser Aufnahme beweist er nachdrücklich sein Können.
Der erste Satz beginnt mit einem langsamen und mysteriösen Einleitungsthema, das von den stockenden Streichern gespielt wird. Klagend ertönt der Ruf des Tenorhorns. Es folgt ein schnellerer Abschnitt mit einem energiegeladenen Thema, das von den Blechbläsern und Schlagzeugern gespielt wird. Höhepunkt im ersten Satz ist ein Bläserchoral, an welchen sich mit einem Harfenglissando eine paradiesische Hörwelt weit öffnet. Haitink gibt dem Satz viel Raum und Zeit, um sich zu entfalten, und schafft so eine düstere und geheimnisvolle Atmosphäre. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Themen sind fließend und gut gestaltet. Der schnelle Abschnitt des Satzes ist energiegeladen und kraftvoll. Haitink lässt die Blechbläser und Schlagzeuger voll zur Geltung kommen und schafft so ein kraftvolles Klangbild. Die Streicher spielen mit passioniert und tragen deutlich zum dynamischen Klangbild dieser Aufnahme bei. Der erste Satz ist ein eindrucksvoller Beginn dieser Einspielung und zeigt Haitinks herausragendes Können als Mahler Interpret.
Der zweite Satz ist ein scherzoartiges Stück mit einem schnellen und lebhaften Rhythmus, die erste Nachtmusik beginnt. Ein Dialog zwischen den Hörnern wirkt eigentümlich. Vogelstimmen, Marschrhythmen und plötzlich, da sind sie wieder: die Herdenglocken. Mahler liebte diesen Klang, welchen er erstmals in seiner sechsten Sinfonie einsetzte. Haitink gibt dem Satz viel Farbe und Energie. Die Bläser spielen mit großer Präzision und tragen gut zur besonderen Wirkung des Satzes bei. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Themen sind geschickt gestaltet und sorgen für eine fließende, nahtlose Interpretation des Satzes.
Der dritte Satz eine nächtliche Spukmusik, fratzenhaft und düster. Die surrealen Klänge sind gut erkennbar. Haitink lässt das SodBR farbenfroh spielen und gibt diesem Abschnitt eine besonders intensive Wirkung.
Der vierte Satz ist der eigentümlichste Satz der Sinfonie. Eine Serenade, lieblich, intim, kammerspielartig mit Mandoline, Gitarre. Harfe und Horn. Haitink lässt die Musik atmen, um sich zu entfalten, und schafft so eine traumwandlerische Atmosphäre.
Der fünfte und letzte Satz ist ein schnelles und energiegeladenes Finale, das die Sinfonie mit einem kraftvollen Abschluss beendet. Am Ende öffnet Mahler alle dynamischen Schleusen und lässt das Orchester mit gewaltig bimmelnden Herdenglocken euphorisch enden. Das SodBR trumpft mit großer Spielfreude auf und gewährleistet ein kraftvolles Klangbild.
Haitinks Interpretation zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Ausgewogenheit aus. Er findet die perfekte Balance zwischen den unterschiedlichen Klangfarben und Stimmungen, die in der Sinfonie Nr. 7 vorhanden sind. Dabei verliert er nie den roten Faden und behält stets die Kontrolle über das Geschehen. Besonders beeindruckend ist Haitinks Fähigkeit, die dynamischen Kontraste der Sinfonie zu gestalten. Er lässt leise Passagen mit großer Intimität erklingen und steigert sie dann zu mächtigen orchestralen Ausbrüchen. Diese Spannungsbögen werden präzise mit musikalischer Sensibilität aufgebaut und sorgen für einen intensiven Hörgenuss. Haitink versteht es auch, die dramatischen Höhepunkte der Sinfonie mit wuchtig zu präsentieren, ohne dabei die Feinheiten der Partitur zu vernachlässigen.
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, unter Haitinks Leitung, spielt mit herausragender Virtuosität und Hingabe. Jedes einzelne Instrument trägt zur Gesamtwirkung der Aufnahme bei und zeigt ein tiefes Verständnis für die spezifischen Anforderungen der Sinfonie Nr. 7. Die Streichergruppe des Orchesters spielt mit überragender Klangschönheit und sorgt für einen warmen und nuancierten Klangteppich. Die Bläser sind technisch versiert und überzeugen mit ihrer Präzision und Klangvielfalt. Besonders beeindruckend sind die Solisten des Orchesters, die mit ihren herausragenden Leistungen emotionale Höhepunkte der Aufnahme gestalten. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zeigt hier erneut, warum es zu den führenden Orchestern weltweit zählt. Die Musikerinnen und Musiker beherrschen die technischen Herausforderungen der Sinfonie meisterhaft und verleihen der Musik eine außergewöhnliche Ausdruckskraft.
Insgesamt ist das Dirigat von Bernard Haitink in Verbindung mit dem Spiel des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in dieser Aufnahme der Sinfonie Nr. 7 von Gustav Mahler von bestechender Qualität. Haitinks präzise und einfühlsame Interpretation sowie die technische Brillanz und klangliche Vielfalt des Orchesters machen diese Aufnahme zu einem besonderen Erlebnis.
Die Klangqualität der Aufnahme ist hervorragend. Es gibt viele Aufnahmen von Mahlers 7. Sinfonie, und jede hat ihren eigenen Charme und ihre eigenen Stärken. Verglichen mit anderen Aufnahmen ist Haitinks Interpretation eine, die vor allem durch Ausgewogenheit und große Tonschönheit überzeugt.
Dirk Schauß, 2. Juni 2023
CD
BR Klassik
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