Reisebilanz I: Tops und Flops der „Saison 2024/25“

Mit dem Fokus auf die Opernhäuser in der Region Rhein/Ruhr haben wir das Ende unserer Bilanzen zu einzelnen Häusern und Regionen erreicht. Wie im vergangenen Jahr präsentieren wir nun wieder Bilanzen von Kritikern, die im Laufe einer Spielzeit gezielt zu einzelnen, vielversprechenden Produktionen im In- und Ausland reisen. Den Anfang macht ein Rundblick über Produktionen in Deutschland und Österreich.


Beste Produktion (Gesamtleistung):
Musikalisch, regielich und sängerisch war die Regensburger Offenbach-Prodiktion Die Reise zum Mond eine Sternstunde.

Größte Enttäuschung:
Die Weimarer Salome und der Freischütz bei den Eutiner Festspielen.

Entdeckung des Jahres:
Offenbachs Die Reise zum Mond im Theater Regensburg und Robinson Crusoe an der Komischen Oper Berlin, aber auch George Enescus Œdipe bei den Bregenzer Festspielen 2025.

Beste Wiederaufnahme:
John Dews farbsprühende, sinnige Inszenierung von Giordanos Andrea Chenier an der Deutschen Oper Berlin

Beste Gesangsleistung (Hauptrolle):
Der fulminante Heldenbariton Oleksandr Pushniak als Jochanaan in einer ansonsten enttäuschenden Salome in Weimar. Geradezu frappierend war der 71-jährige Tenor Gregory Kunde als Andrea Chenier in der gleichnamigen Oper von Umberto Giordano an der Deutschen Oper Berlin.

Beste Gesangsleistung (Nebenrolle):
Die sängerischen Höhepunkte der Ausgrabung der Oper Cesare in Egitto von Geminiano Giacomelli beim Festival Alter Musik Innsbruck sind der Altistin Margherita Maria Sala zu verdanken, die eine beeindruckende Cornelia, Witwe des Pompeo, sang.

Nachwuchssänger des Jahres:
Der in Río Gallegos, Patagonien (Argentinien) geborene Tenor Agustin Gómez (ein wahrer Strahletenor) in der Hauptrolle des Robinson Crusoe an der Komischen Oper Berlin.

Bestes Dirigat:
Tom Woods entfachte mit dem hervorragend disponierten Philharmonischen Orchester Regensburg vom Pult aus ein musikalisches Feuerwerk. Sein Dirigat war ein funkensprühendes Plädoyer für ein großartiges, musikalisch sehr vielseitiges Stück, eines der besten Offenbachs: Die Reise zum Mond.

Auch der junge französische Dirigent Adrien Perruchon, er ist seit 2021 Musikdirektor des Orchestre Lamoureux und Schüler von Myung-Whun Chung, hat Offenbachs Robinson Crusoe an der Komischen Oper Berlin mit mitreisendem Schwung, rhythmischer Verve und pikanter Gestaltungskraft dirigiert, ein Offenbach vom Allerfeinsten. Auch Hannu Lintus Dirigat von George Enescus Œdipe bei den Bregenzer Festspielen 2025 war ein Wucht.

Beste Regie:
In der jüngsten Inszenierung des Cottbuser Co-Schauspieldirektors Armin Petras zeigt in seiner Lesart von Janáčeks Das schlaue Füchslein das Stück einmal ohne Folklore, Tierverniedlichung oder jeder Art von Mickey Mousing.  Das Stück ist bei ihm alles andere als ein Märchen, er zeigt weder Waldidyll, noch Romantik und alles andere als eine „schöne“ Inszenierung, sondern ein radikales Stück (an der Schmerzgrenze) über Umweltzerstörung und die Sehnsucht nach Heilung des Konflikts zwischen Mensch und Natur. 

Bestes Bühnenbild:
Sam Madwar (Bühne, Videos) ist ein unwiderstehlicher Bühnenzauber zu verdanken, bei der Regensburger Produktion von Offenbachs Le voyage dans la lune. Seine Video- und Ausstattungsphantasien spielen mit Assoziationen der Jules-Verne-Zeit und zeigen augenzwinkernd die Zeiten des gusseisernen Fortschritts. Man wohnt einem romantisch inspirierten Kanonenflug durchs Weltall bei, erlebt einen Schneesturm auf dem Mond und den Ausbruch eines Mond-Vulkans samt Lavafluss und Feuersbrunst.

Größtes Ärgernis:
Ein Etikettenschwindelund ein Ärgernis, nicht anders kann man die Produktion Die lustigen Nibelungen an der Deutschen Oper Berlin bezeichnen, die das Frauen-Operettenkollektiv tutti d*amore unter dem Titel „Ab in den Ring!“ veranstaltete. Eine grobe Verhunzung der Vorlage, Oscar Straus‘ Operette „Die lustigen Nibelungen“.

Flops der Saison:
Es gab einige: In der Staatsoper Hannover Bohuslav Martinůs Griechische Passion, am Deutschen Nationaltheater Weimar Salome von Richard Strauss, die Dreigroschenoper von Brecht/Weill am Staatstheater Nürnberg, der Freischütz bei den Eutiner Festspielen (einen Tag zuvor gab es bei den Bregenzer Festspielen eine umstrittenen, aber sensationelle Produktion derselben Oper) und Offenbachs Orpheus in der Unterwelt in der Musikalischen Komödie Leipzig.


Es reiste für Sie Dieter David Scholz.