Düsseldorf: „Der Zwerg“

"Der Geburtstag der Infantin"

Original & Fälschung

DOR Düsseldorf Premiere am 15.6.13

Immerhin ist der zweite Teil dieses Zemlinsky-Abends doch recht sehenswert, denn was man auch immer von Immo Karamans Regietaten halten mag, er ist ein professioneller Musiktheater-Regisseur, der sein Handwerk gelernt hat und Inszenierungs-Aufträge sicherlich nicht wegen irgendwelcher Stareltern bekommt, sondern weil er einfach spannend, musik- und zeitgemäß und mit durchaus vorhandenem Werkverständnis Opern realisiert. Jede musikalische Form und Idee findet ihre Entsprechung auf der Bühne und ist nachvollziehbar. Dabei arbeitet er intensiv und ernsthaft mit den Sängern und jede Bewegung oder Aktion der Künstler findet sich auch in der Partitur begründet. Alles ist diesmal sehr textverständlich – trotz Übertiteln, ohne die man im ersten Teil des Abends überhaupt nichts verstanden hätte. Ein guter Regisseur, auch wenn der Rezensent mit vielem nicht einverstanden ist. Immerhin hat er (außer AIDA in Wiesbaden) selten ein Werk in den Sand gesetzt, bei allen vorhandenen Manierismen. In Düsseldorf ist er quasi Hausregisseur und hat damit unter Intendant Meyer die Nachfolge von Loy übernommen.

Lassen Sie mich einen kritischen Einwand zum Regiekonzept gleich am Anfang vorbringen, dann werde ich nur noch loben, versprochen: Die Oper endet im Original damit, daß der Zwerg an gebrochenem Herzen stirbt, begleitet von dem bösen und zynischen Satz der Infantin "Das nächste Mal möchte ich aber ein Spielzeug, das kein Herz hat." dann tanzt sie hüpfend von dannen.

Was für einen Sinn macht die bitterböse Geschichte in der Karaman-Fälschung, wo der Zwerg am Ende aufsteht und als Unbehinderter von der Bühne schreitet, während die Infantin an eben diesem gebrochenen Herzen stirbt? Auch ist mir unverständlich, warum die Infantin und ihre Freundin Ghita als austauschbare Spiegelbilder auftreten und auch stellenweise der anderen Text singen? Mit dem Mädchenpensionat könnte ich mich ja noch anfreunden…

Musikalisch ist dieser zweite Teil des Zemlinsky-Abends einfach fabelhaft. Die grandiose Musik unter der hervorragenden Leitung des ehemaligen Duisburger GMDs Jonathan Darlinghton erblüht unter den Düsseldorfer Symphonikern so melodisch und romantisch charmant, wie aufrüttelnd expressiv und die orchestrale Dramatik stimmt auf den Punkt; ist sie natürlich auch erheblich differenzierter als im ersten Werk. Es ist schwer verständlich, warum man die "Florentinische Tragödie" dann so runtergehauen hat. Alles wirkte noch im ersten Teil wie vom Blatt, nach nur zwei Durchlaufproben, nämlich der Haupt- und der Generalprobe, abgespielt. Es war, als säße nun plötzlich ein gänzlich anderes Orchester da im Graben. Nun konnte man Zemlinsky endlich genießen.

Ein besseres Plädoyer für den hohen künstlerischen Wert dieser tollen vergessenen Musik kann man sich kaum vorstellen. Und immer wieder frage ich mich, voll überwältigt von dieser schönen herrlichen Musik, warum Zemlinskys spätromantische Juwelen nur alle zehn Jahre mal aus dem Tiefschlaf der Vergessenheit und Ignoranz entrissen werden? In den legendären Zwanziger Jahren hieß es überall in Deutschland: Vergesst Wagner – wir haben unseren Schreker. Heute sollte es heißen: vergesst Wagner – hört mehr Zemlinsky. Zumindest in dieser Qualität an der Rheinoper!

Sylvia Hamvasi (Infantin) und Anke Krabbe (Ghita) beweisen, zusammen mit dem fabelhaften Tenor Raymond Very (Zwerg), daß Weltklassegesang auch an der Deutschen Oper am Rhein noch möglich ist. Christoph Kurig hat den Damenchor vorbildlich eingestellt und daß die "Mädels" auch noch so dermaßen gelungen darstellerisch brillieren, erfreut das Herz des Kritikers. Sehr passend zum Ambiente sind die Kostüme von Nicola Reichert, die auch für die Bühne verantwortlich war.

P.S.

Ein großer Abend ist immerhin die Umsetzung dieses ZWERGs. Mein Geheimtipp: gehe Sie erst um 20 45 h (Pause) in die Oper, dann können Sie erleben, wie großartig dieser Zemlinsky tatsächlich ist und warum man seine Opern unbedingt kennen muß. Und – Pst – es ist garantiert niemals ausverkauft, wenn Sie wissen, was ich damit sagen will ;-)))))

Peter Bilsing / 16.6.13 Bilder: Hans Jörg Michel