Salzburg: „Il Viaggio a Reims“, Gioachino Rossini

Einen äußerst abwechslungsreichen und interessanten Spielplan bietet das Landestheater Salzburg, das öfter einen Besuch an der Salzach lohnt – auch von Wien aus bequem mit Zug oder Auto zu erreichen!  Vom Fliegen dahin ist eher abzuraten: Rossinianische „Turbulenzen“ führten – zumindest an diesem Abend – zu einem totalen Flugausfall, auch die Maschine nach Reims war davon betroffen, was jedoch zu einem glänzenden Fest mit exzellenten musikalischen Darbietungen (etwa im Hangar 7 ? ) führte, die vom Publikum ausgiebig und zu Recht beklatscht und bejubelt wurden!

Der junge, aus Bozen stammende  Regisseur Andrea Bernard hatte aus dem „Hotel zur goldenen Lilie“  – wie der Schauplatz  bei Luigi Balocchi im Original des „dramma gioacoso“, das eigentlich eher eine „Kantate“ ist – eine Fluglinie „Goldene Lilie“ gemacht und alle die merkwürdigen Typen, die aus aller Herren Länder zur Krönung Karl X. nach Reims reisen wollen, stranden deshalb am Flughafen, weil u.a. auch die Maschine nach Reims „gecancelled“ wird ( also fallen einige Tausend Pferdestärken mehr aus, als bei der Kutsche, die im Original die Gesellschaft nach Reims bringen soll). Bei diesem Stück bin ich – als Verfechter einer Libretto-gerechten Umsetzung – wie bei anderen Märchenstoffen – doch konziliant und finde eine „Transformierung“ gerechtfertigt, wenn es klug, humorvoll gemacht ist und „funktioniert“ und ankommt.

© Tobias Witzgall

Nun das tat es, wie man an den erfreuten Reaktionen des Publikums erkennen konnte. Bernard, dem Alberto Beltrame auf die Drehbühne ein geglücktes Flughafenambiente schuf, indem sich die Protagonisten und der Chor ( zum Teil wirklich köstlich „gewandet“ von Elena Baccaro) sichtlich mit großer Freude und Spaß bewegten, hatte einige wirklich glänzende Ideen auf Lager und eine sehenswerte Produktion erarbeitet.  Einzig die letzte „Aktion“ war entbehrlich!  Alle Solisten und Choristen begannen sich beim Schlussensemble – meist bis auf die Unterwäsche auszuziehen… „Orgie“ war wohl keine zu erwarten, warum dann?  Auf Nachfrage wurde mir gesagt, das solle die „Gleichheit“ aller Menschen, egal ob ihrer Herkunft symbolisieren… etwas sehr platt!

Daß diese auch ein hörenswerter „Rossini-Genuss“ wurde, war auch Verdienst des jungen, exzellenten Maestros Carlo Benedetto Cimento, der einerseits die schwierigen Ensembles präzise einstudiert hatte, andererseits auch alle Gruppen und Solisten bestens führte und ein mitreißendes „Rossini-Brio“ aus dem Graben  zauberte, wo das Mozarteumorchester Salzburg sehr animiert mitging.

Beim ausgezeichneten Ensemble möchte ich nach der Reihung im Programmheft vorgehen. Corinna war hier als geheimnisvolle „schwarze Frau“ dargestellt, die in ihrer harfenbegleiteten Auftrittsarie quasi vom Himmel hinter der Glasfassade herunter schwebt, und etwa im Finale I das gesamte Ensemble wie eine Magierin dirigiert. Dafür passte die von Gestalt zwar zierliche und kleine aber dafür umso größere Persönlichkeit besitzende Anita Giovanna Rosati bestens. Die trotz italienischem Namen aus Osttirol stammende Künstlerin gefiel mit sehr persönlich gefärbtem, sicher geführtem Sopran auch in ihrer großen Schlußszene, die sie aus einer Proszeniumsloge sang – und wo es tatsächlich auffällig mucksmäuschenstill im ausverkauften Theaterrund war. Mit ihrem samtenen Mezzo und ihrem Bühnentemperament gefiel erneut Katie Coventry – diesmal als quasi ideale Marchesa Melibea als kokette Frau zwischen zwei Männern. Ein wahres Feuerwerk an Koloraturen und rossinianischen Läufen der Spitzenklasse brannte Nicole Lubinger als herrlich „überkandidelte“ Contessa Folleville ab. Die junge Kärntnerin wurde vom Johann Strauss-Wettbewerb von Operndirektorin Katrin König direkt ans Landestheater geholt, die die großen Möglichkeiten dieser vielversprechenden Künstlerin, stimmlich- sie bot gefühlvolle piani und viel Italianitá- als auch als Bühnenpersönlichkeit, erkannte – brava und brava! Amber Norelai – eigentlich „Wirtin“, war hier aber auch überzeugend als Flughafenchefin tätig und ließ ihren angenehmen Sopran und schöne, runde Spitzentöne hören.

© Tobias Witzgall

Die beiden Tenöre waren Hyunduk Kim als Belfiore und Theodore Browne als Libenskof. Da gab es jede Menge an Spitzentönen zu hören und speziell in den Duetten – ersterer mit Follevile , zweiterer mit Melibea – konnten sie ihre geläufigen Gurgeln präsentieren. Lord Sidney , der baumlange George Humphreys – ein echter Brite ! – bekundete  in seiner Auftrittsarie nicht die Liebe und das Verlangen nach einer Geliebten aus Fleisch und Blut, sondern sehnte sich zurück in die EU – küsste und agierte mit einem blauen Tuch mit den goldenen Sternen – ein lustiger Einfall allemal, wenngleich dieses Verlangen sicher nicht von allen goutiert wird….Mit „ Medaglie incomparabili“ schoß Daniele Macciantelli als Don Profondo – hier Flug-Kapitän mit seinem technisch brillanten Baß, dem das rossinische Parlando besonders liegt und der ein begnadeter humorvoller Darsteller ist, den Vogel ab. Seit Ruggero Raimondi habe ich in etlichen Produktionen noch keinen Besseren gehört! Als köstlicher Komödiant präsentierte sich auch der junge aus Apulien stammende Pasquale Greco als Barone di Trombonok. Er kann einen wahrlich mächtigen Bariton sein Eigen nennen, genoß die „Moderatoren-Rolle“ beim Fest und die Interpretation der Deutschen Hymne, und würzte das Geschehen auch mit kleinen Einwürfen in Deutsch. Yevheniy Kapitula gefiel mit ausgezeichneter Bühnenpräsenz und einem klangvollen Bariton als Don Alvaro, Michael Schober als Don Prudenzio mit voluminösem Baßbariton und Alexander Hüttner als Don Luigino mit exakten und schönstimmigen Einwürfen trugen weiters zum Gelingen des Abends bei. Optisch und vokal sehr erfreulich auch Mona Akinola ( Modestina) und Kay Heles ( Delia), Zeljko Zaplatic ergänzte rollendeckend  als Antonio.

Der sing- und spielfreudige Chor des Salzburger Landestheaters sei bewusst zuletzt genannt, da am Ende beim Schlussapplaus Intendant Carl Philip von Maldeghem mit sehr sympathischen und netten Worten ein Paar des Chores nach 35-jähriger Tätigkeit verabschiedete. Ein unterhaltsamer, musikalisch hochwertiger Abend ging damit auch sehr „amikal“ und berührend zu Ende. Gratulation dem Haus zu dieser Derniere…. Man freute sich auf zukünftiges, möge das auch so gut gelingen.

Michael Tanzler 25. November 2024

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Il Viaggio a Reims
Gioachino Rossini

Landestheater Salzburg

22. November 2024

Regie: Andrea Bernard 
Dirigat: Carlo Benedetto Cimento
Mozarteumorchester Salzburg