Linz: „Ein Amerikaner in Paris“, George Gershwin

Vorstellung am 22.03.2019

TRAILER

Der Film Ein Amerikaner in Paris, mit der fesselnden Musik von George Gershwin und der kongenialen Choreographie des Hauptdarstellers Gene Kelly, sorgte 1952 für Furore und wurde mit 8 Oscars, darunter bester Film und beste Filmmusik, ausgezeichnet. Es sollte 63 Jahre dauern, bis die Bühnenversion des Stoffes 2014 am Theatre de Chatelet in Paris seine Uraufführung erlebte. Die Originalnummern aus dem Film – Gershwins Songs „I Got Rhythm“, „‚S‘ Wonderful“, „Stairway to Paradise“, sowie Teile aus seinem Concerto in F und sein, wie er es nannte, „Rhapsodisches Ballett“ An American in Paris – wurden dafür durch weitere Nummern aus dem Schaffen des schon 1937 viel zu früh verstorbenen Komponisten ergänzt. Ein Jahr später war dann der Broadway an der Reihe, die europäische Musical-Hauptstadt London folgte 2018. Im selben Jahr – November des Vorjahres – feierte auch die erste deutschsprachige Version ihre Premiere: Nicht in Hamburg, wie man vielleicht vermutet hätte, sondern in Linz! Berichtet wird von der ausverkauften letzten öffentlichen Vorstellung. Die beiden im Mai folgenden Termine sind geschlossene Veranstaltungen.

Die Handlung der von Craig Lucas gebastelten Handlung ist recht banal und nicht ohne Kitsch à la Hollywood. Die einzigartige, Jazziges und Klassisches in einer unverwechselbaren Mixtur verbindende Musik George Gershwins jedoch punktet auf allem Linien und sorgt für elektrisierende Spannung bis zur letzten Minute. Die temporeiche und tanzintensive Show rund um Kunst, Freundschaft und Liebe – Regie und Choreographie von Nick Winston – bleibt so stets am Laufen, was besonders nach der Pause, wenn die Balletteinlagen – bis hin zu einem fulminanten Stepptanz – dominieren, besonders nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Als Hintergrund stets präsent sind die Straßen und Plätze der Seinemetropole. Die Ausstattung – Bühne von Charles Quiggin, Lichtdesign von Michael Grundner und Videodesign von Duncan McLean – sorgt dank perfekter Bühnentechnik im Nu für das jeweils passende Ambiente. Nicht ganz so zufriedenstellend und ziemlich uneinheitlich sind hingegen die Leistungen der Akteure.

Im Mittelpunkt stehen ambitionierte junge Künstler aus der Pariser Bohème sowie zwei Kollegen aus den Vereinigten Staaten, die es infolge des Zweiten Weltkriegs nach Paris verschlagen hat und dortgeblieben sind. Der junge amerikanische Kriegsveteran Jerry, ein ebenso talentierter wie ambitionierter Kunstmaler, verliebt sich Hals über Kopf in die Parfümerieverkäuferin und aufstrebende Tänzerin Lisa, für die sich auch ein amerikanischer Komponist namens Adam sowie Henri, ein Sprössling aus reichem Haus, mit vor seiner Mutter geheim gehaltener Berufung zum Chansonnier, interessieren. Eine liebeshungrige amerikanische Millionärin und Kunstmäzenin verkompliziert dieses ohnehin schon rechte komplizierten Beziehungsverhältnisse. Besonderen Reiz verströmt das Lied „S‘ Wonderful“, in dem jeder der drei Verehrer von seiner Liebe schwärmt und keiner ahnt, dass alle Beteuerungen derselben Frau, nämlich Lisa, gelten. Alle Songs werden im Übrigen mit den englischen Originalteten gesungen.

Gernot Romic, am Performing Arts Studio in Wien ausgebildet, hat sein Können in vielen Produktionen in Stockerau, Graz und Wien unter Beweis gestellt. Er ist als Jerry ein sicherer Sänger und exzellenter Tänzer, doch es fehlt ihm für diese Rolle etwas, nämlich Ausstrahlung, Charisma, Bühnenpräsenz. Diesmal hat er diese Eigenschaften, sollte er sie haben, jedenfalls nicht ausgepackt.

Sein ernstzunehmender Rivale um die Gunst Lisas ist Henri. Christian Fröhlich hat einen starken Erstauftritt mit dem großartigen Song „I Got Rhythm“, bleibt dann aber der stets schüchterne, gegenüber seiner Mutter und Lisa nie ganz offene junge Mann, der seine wahre Leidenschaft unterdrücken muss. Umso größer dann die Überraschung, als er schließlich im Cabaret Montmartre „Stairways To Paradiese“ zum Besten gibt, alle Gehemmtheit über Bord wirft und endlich wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser schwimmt.

Christof Messner als Komponist Adam Hochberg hat im Wettstreit um die Zuneigung von Lisa die schlechtesten Karten. Dass er der geniale Komponist der zu hörenden Songs ist, will man ihm nicht so recht abkaufen. Es soll freilich auch bescheidene, unauffällige Künstler geben. Sympathisch ist er allemal.

Für musikalischen – musicalhaften – Glanz sorgt glücklicherweise Myrthes Monteiro, die international bewährte Darstellerin der Lisa. Hier ist alles vereint, was einen Musicalstar von Format ausmacht, und Tanz, Gesang, Schauspiel bilden in ihrer Performance eine bezwingende Einheit.

Daniela Dett verleiht der Rolle der Kunstsponsorin Milo Davenport eine souveräne Note. Linsey Thurgar als Madame Baurel bereichert – mit eigenwilliger Erscheinung und karikierendem französischem Akzent – die Aufführung, indem sie für komische Momente sorgt.

Alles in allem: Das Landestheater Linz scheint auf dem besten Weg, sich als eine bemerkenswerte Bereicherung der österreichischen Musicalwelt zu etablieren. Auch die auf An American in Paris folgende Produktion des Musicals Ragtime war und ist ein Renner bei Presse und Publikum – der online Merker berichtete darüber. Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Tom Bitterlich, seit der vergangenen Saison Musikalischer Leiter der Musicalsparte des Hauses, der dort auch schon Hairspray, Blue Eyes, Forever Young und Lazarus von David Bowie dirigiert hat. Auch diesmal hat er alles im Griff, und das Bruckner Orchester, das im Alltag gewiss andere musikalische Kost gewöhnt ist, swingt, dass es eine Freude ist.

Manfred A. Schmid 23.3.2019

Besonderen Dank an unseren Kooperatinspartner MERKER-online Wien

Bilder (c) Barbar Pálffy

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P.B.