Gelsenkirchen: „Hello Dolly“, Jerry Herman

Lange Zeit haben die NRW-Intendanten einen großen Bogen um das Musical „Hello Dolly“ gemacht. 1996 gab es eine Inszenierung an der Dortmunder Oper, in Gelsenkirchen lief der Broadway-Klassiker zuletzt 1979. Offensichtlich hat man im Ruhrgebiet jahrzehntelang die Wünsche des Publikums missachtet, denn im Musiktheater im Revier läuft das Stück jetzt vor ausverkauftem Haus und wird vom Publikum einhellig bejubelt.

© Pedro Malinowski

Heiratsvermittlerin Dolly Gallagher Levi soll eine Braut für den reichen Unternehmer Horace Vandergelder besorgen, verliebt sich dann aber selbst in ihn. Für zusätzlichen Trubel, sorgen seine Angestellten Cornelius und Barnaby, die ihrem Chef bei seinem Trip nach New York ungewollt über den Weg laufen und dabei mit der Hutmacherin Irene Molloy und deren Angestellten Minnie Fay anbandeln.

In heutigen Zeiten muss man natürlich befürchten, dass sich der Regisseur ein Konzept mit Dating-Plattformen und Tindern ausdenkt, sich die Figuren nur noch virtuell begegnen und ein hochtechnisiertes Videospektakel gezeigt wird. In Gelsenkirchen bringt Regisseur Carsten Kirchmeier aber eine nostalgisch-schöne Produktion auf die Bühne, die 1890 in New York spielt, wie es die Autoren sogar vorgesehen haben. Das erlebt man auch nicht alle Tage!

Die Regie setzt in der Vielzahl der Dialoge das richtige Tempo und die richtigen Akzente, wobei sich alle Darsteller auch als gewiefte Schauspieler erweisen. Die Kostüme von Beata Kornatowska bringen alle Akteure bestens zur Geltung, ohne altmodisch und verstaubt zu sein. Bühnenbildner Jürgen Kirner bringt das Geschäft von Vandergelder als riesige Registrierkasse auf die Bühne, bei der auch die Preisanzeige bespielbar ist. Irenes Hutladen besteht aus großen Schachteln, und das Restaurant „Harmonia Garden“ ist mit einem überdimensionierten Teller mit Aufstellserviette ausgestattet. 

Choreograf Paul Kribbe hat für die siebenköpfige Crew sprungfreudige Tänze ausgedacht, bei denen aber auch der Chor und die Solisten noch stärker eingebunden hätten werden können.

In der Titelrolle glänzt Anke Sieloff mit swingendem Gesang und Tanz. Einen besonders effektvollen Auftritt hat sie im 2. Akt, wenn sie im Restaurant auf einem riesigen Löffel hereingeschwebt kommt. Dirk Weiler gibt den Horace Vandergelder als leicht spleenigen aber liebeswerten Millionär.

Mit weiten Melodiebögen glänzt Julia Heiser als Huthändlerin Irene Molloy, während Sonja Hebestadt ihre Angestellte Minnie sehr frech und gewitzt anlegt. Mit geschmeidiger Stimme singt Sebastian Schiller den Cornelius und Nicolai Schwab bringt seinen Kollegen Barnaby als Woody-Allen-Typen auf die Bühne. Diese beiden Figuren bringen viel Boulevardtheater und Tempo in das Stück.

© Pedro Malinowski

Die Neue Philharmonie Westfalen beeindruckt unter dem Dirigat von Peter Kattermann mit einem satten Bigband-Klang, bei dem die Blechbläser stark aufspielen und Trompeter rasant dahinpreschen. – Beim Publikum herrscht bei dieser Aufführung beste Stimmung und beim Schlussbeifall gibt es tosenden Beifall für alle Akteure. – Eine absolut sehens- und hörenswerte Produktion.

Rudolf Hermes, 26. Januar 2024


Hello Dolly
Jerry Herman

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

Premiere: 13. Januar 2024
Besuchte Aufführung: 20. Januar 2024

Regie: Carsten Kirchmeier
Musikalische Leitung: Peter Kattermann
Neue Philharmonie Westfalen