Luzern, Konzert: „Víkingur Ólafsson“, Klavierrezital

Nach dem Auftritt der Legende Martha Argerich am Vortag und der Begegnung mit dem Jungstar Yoav Levanon in der ersten Konzerthälfte des gestrigen Abends, kam man nun in der zweiten Hälfte dieses außergewöhnlichen Konzerts in den Genuss des vielschichtigen Klavierspiels eines Starpianisten der mittleren Generation: Víkingur Ólafsson. Der isländische Künstler ist bekannt für die außergewöhnlichen und hochinteressanten Programme seiner Solorezitals und auch seiner CD-Aufnahmen.

Für dieses Konzert in Luzern hatte er sich für den ersten Teil eine spannende Kombination von Etuden von Philip Glass mit darin eingebetteten Werken aus dem 18. Jahrhundert von Baldassare Galuppi, Wolfgang Amadeus Mozart und Domenico Cimarosa ausgedacht. Dabei ließ er die einzelnen Stücke so subtil ineinander übergehen, dass kein Zwischenapplaus den beinahe meditativen Fluss stören konnte. Ólafsson zeigte spannende Verbindungen auf zwischen der hypnotischen, so wunderbar beruhigenden, tranceartigen Musik aus der Feder von Philip Glass und den ebenfalls mit repetitiven Figuren aufwartenden Komponisten Galuppi, Mozart und Cimarosa. Víkingur Ólafssons Spiel war geprägt von ungemeiner Zartheit, die aber auch organisch crescendieren und herrlich aufblühen konnte, ein spirituell bereicherndes Konzerterlebnis von innig leuchtender Kraft. Lichte Klarheit herrschte zum Beispiel bei Mozart, jeder Ton schien genau modelliert und trotzdem fügte sich alles organisch zu einem Ganzen. Die Sauberkeit des Spiels wirkte in keinem Moment klinisch und kalt, sondern war stets von klanglicher Wärme erfüllt, dank einer ausgeklügelten Anschlagtechnik, welche diese pausenlosen 30 Minuten zu einer Traumreise werden ließ und das Publikum in ihren Bann zog. Es war mucksmäuschenstill im KKL.

(c) Phlilipp Schmidli

Der britische Komponist Edmund Finnis – er war anwesend und durfte großen Applaus für sein Werk entgegennehmen – demonstriert mit seinem Schaffen auf eindringliche Art, wie schön zeitgenössische Musik sein kann, so auch mit seinen Mirror Images für Klavier solo. Uraufgeführt wurden diese neun kurzen Stücke letztes Jahr in London von Víkingur Ólafsson, der sie nun zu seinem Konzert in Luzern mitbrachte und sie hier zur Schweizer Erstaufführung brachte. Diese Musik ist Klangmagie pur. Ähnlich wie in den Werken von Philip Glass vermag dieser Klang, der manchmal fast wie eine Glasharfe klingt, oder wie eine Hochspannungsleitung flirrt, zu faszinieren, entführt die Hörer in einen Zaubergarten. Von diesem Komponisten, der erst 39 Jahre alt ist, aber schon in vielen Genres erfolgreich reüssiert hat, möchte man gerne mehr hören. Das ist genau ein Weg, den die zeitgenössische Klassik beschreiten sollte, dann können sich Werke aus unserer Zeit auch wieder im Repertoire etablieren und bleiben nicht Eintagsfliegen für abgehobene Akademiker.

Mit einem erhebend und magisch den Klang der Orgel auf dem Konzertflügel evozierend gespielten Satz aus der Orgelsonate Nr. 4 von Johann Sebastian Bach (für Klavier bearbeitet) und einer weiteren Kostprobe seines engen Verhältnisses zur Musik von Philip Glass bedankte sich Víkingur Ólafsson für den dankbaren langanhaltenden Applaus!

Kaspar Sannemann, 10. Februar 2023


Luzern KKL

Víkingur Ólafsson

Klavierrezital

9. Februar 2023

Werke von Edmund Finnis, Baldassare Galuppi, Wolfgang Amadeus Mozart, Domenico Cimarosa, Philipp Glass