Komzert am 09.10.2022
Der Bach- und Buxtehude-Spezialist im zweiten Symphoniekonzert 2022
Der weltweit gefragte und renommierte Spezialist für die sogenannte „Alte Musik“ und vor allem als Bach- und Buxtehude-Kenner anerkannte Ton Koopman war bereits im April des Jahres mit dem neunten Symphoniekonzert der vorherigen Saison zu Gast im Semperbau gewesen und hatte vor allem mit Händels „Feuerwerksmusik“ brilliert.
Im zweiten Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle in der laufenden Saison stellte Koopman seine Interpretationen von Kompositionen Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Carl Maria von Weber (1786-1826) und Joseph Haydn (1732-1809) vor.
Von einer Konzertreise mit seiner Mutter schrieb der 22-jährige Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater „….ach, wenn wir doch clarinetti hätten- sie glauben nicht was eine sinfonie mit fleuten, oboen und clarinetten einen herrlichen Effekt macht“. Die Entwicklung des Instruments war zwar seit dem Ende des 17. Jahrhunderts fortgeschritten, hatte sich aber erst zögerlich im Konzertbetrieb etabliert.
Nachdem ab 1770 die Bassettklarinette mit ihrem, dank des längeren Unterstücks, den Tonumfang in der Tiefe ausweitete, wurde die Klarinette zunehmend Mozarts Lieblingsinstrument. Um 1785 skizzierte er einen Allegro-Satz für Bassetthorn, einer Tenorspielart der Klarinette, und Orchester in G-Dur.
Die Freundschaft und gemeinsames Musizieren mit dem aus Prag nach Wien gekommenen Instrumentalisten Anton Stadler (1753-1812) war Veranlassung, bereits 1789 dieses in der Musiksystematik als KV 584b erfasste Material nahezu unverändert für die tiefere Bassettklarinette in A-Dur zu transponieren und damit den Kopfsatz des „Konzertes für Klarinette und Orchester A-Dur KV 622“ zu gestalten.
Das Ohrwurm-Adagio haben Mozart und Stadler offenbar beim gemeinsamen Musizieren derart Solo-lastig kreiert, dass auf eine Kadenz verzichtet wurde.
Die Wandlungsfähigkeit der Klarinette und der, dank des Verzichtes Mozarts auf Ausdruckskontraste, erlaubten über alle drei Sätze des Konzertes den einheitlichen Musikeindruck.
Ton Koopman gelang es auf das Vollkommenste, eine Synthese aus den liedhaften Orchestepassagen und Robert Oberaigners „sprechender Solostimme“ zu schaffen. Der Dialog des Solisten, wenn er seine Themen subtil in den Streicherklang einfügte, gestaltete eine gelassen-heitere Stimmung und innige Wärme der Empfindungen.
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) steht nicht auf der Liste der Meister des Concerto grosso. Und doch hat er sich mit der„Serenata notturna“, seiner „Serenade Nr. 6 D-Dur KV 239“, in dieser im Barock entstandenen Konzertform versucht, bei der eine kleine solistisch behandelte Gruppe einer größeren Musikerformation gegenüber steht.
Bei Mozart sind zwei Soloviolinen, eine Bratsche und ein Kontrabass mit der Streicher-Formation sowie der Pauke kombiniert.
Die „Serenade“, abgeleitet von „sereno=wolkenloser Himmel“, gleichsam der Begriff für eine aus kurzen Sätzen bestehende, oft zur Unterhaltung im Freien gedachte Komposition. Notturno weist auf die Verwendung zum abendlichen Vergnügen. So wie das Stück untypisch für Mozart daherkommt, bleibt zweifelhaft, ob das im Januar 1776 geschrieben Stück für eine open air –Gelegenheit gedacht war. Es ist denkbar, dass Mozart das KV 239 zu seinem 20. Geburtstag schrieb oder das Stück dem Kälte-resistenten Teil des Salzburger Karnevals zu eignete.
Nach der militärisch anmutenden Einleitung des Paukers brachen Matthias Wollong, Holger Grohs, Florian Richter und Andreas Ehelebe mit einem zarten Cantabile die martialischen Attitüden. Ein ständig stärker ironisierender Klangwechsel zwischen den zarten Soli und dem kräftigen Tutti markierte den „Marcia-Satz“. Das Menuetto kam tatsächlich wie ein Karnevalstanz daher, während das galante Trio den Solo-Streichen vorbehalten blieb.
Die von Mozart im Finalsatz verorteten Überraschungen, etwa dem raschen Wechsel zwischen gestrichenen und gezupften Saiten heiterten die Hörenden zusätzlich auf.
Der Leistung des Paukers Christian Langer wurde von Koopman besonders gewürdigt.
Der „Mozart-Block“ des Konzertes war von Kompositionen Carl Maria von Webers (1786-1826) und Joseph Haydn s (1732-1809) umschlossen.
Webers Freischütz-Ouvertüre hat nicht nur das Potential, Hörende auf die Stimmung der Oper ein zustimmen. Seine musikdramatische Doppelbödigkeit ermöglichte Ton Koopman einen beschwingten und klangkulinarisch gehaltvollen Konzertauftakt zu gestalten. Harmonisch-liebliche Beschaulichkeit war offenbar nicht sein Anliegen. Nach den furiosen Eingangspassagen setzte er kontrastreich-zart die Holzbläser-Solisten entgegen.
Webers Fülle von Motiven, eigentlich ein Vorgriff auf Wagner s „Leitmotiv-Technik“, die Steigerung zu einem strahlenden C-Dur-Akkord gaben Koopman die Voraussetzungen, den Konzertstart zu einem Kabinettstück seines Dirigats zu gestalten.
Den Konzertabschluss bestritt Joseph Haydn s vorgebliche „Militärsymphonie“ Nr. 100 G-Dur aus der späten Londoner Zeit des Komponisten.
In Koopman s Deutung des Werkes ging es aber offenbar nicht um „Leben und Tod“, sondern allenthalben um fröhliches militärisches Leben. Selbst wenn Becken, Triangel und große Trommel mit Drastik Einbrüche martialische Gewalt im Allegretto in die friedliche Idylle befürchten ließen, hatte der dritte Satz „Menuet“ kaum etwas Kriegerisches zu bieten. Denn auch das eher volksmusikalisch geprägte Finale ließ den drohenden Gewaltausbruch rechtzeitig in friedlichere Bereiche abbiegen, so dass das Publikum friedlich gestimmt, nachdem heftig-freundlicher Beifall gespendet war, den Semperbau verlassen konnte.
Die Matinee war ausverkauft. Die Finger einer Hand reichten für das Auszählen der unbesetzten Plätze aus. Für die Abendkonzerte des gleichen Programms sind allerdings noch ausreichend Tickets zu erwerben.
Bilder © Oliver Killig
Thomas Thielemann, 16.10.22