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Mit Strauss`"Salome" hatte das Koblenzer Stadttheater die letzte Spielzeit alttestamentarisch beschlossen, mit "Samson et Dalila" ebenso wiedereröffnet. Saint-Saens`Oper ist durch seine bekannten Melodien (Dalila-Arie und Bacchanale) den Hörern durchaus präsent), doch das Werk selbst findet sich nicht häufig auf den Spielplänen, um das ohnehin schmale, französische Repertoire zu bereichern. Die Oper ist durch ihre oratorienhafte Struktur auch keine einfache Aufgabe für die Regie, zudem liegt eine Aktualisierung durch die Zustände im Nahen Osten als Platitude allzusehr auf der Hand. Waltraud Lehner versucht auf der Koblenzer Bühne durchaus nicht, die brennende Situation zu entschärfen, doch entscheidet sie sich gegen eine handelsübliche Militär-Camouflage-Deutung, sondern beläßt die Darsteller in heutiger Kleidung (Kostüme Katharina Knopp), die mal sowohl jüdisch-orthodoxer, als auch muslimisch-traditioneller Kleidung zugeordnet werden könnten. Überhaupt changieren die verfeindeten Volksgruppen untereinander, denn Lehner zeigt lediglich die verfahrene Situation der Feinde, ohne einen moralischen Unterschied zwischen ihnen zu machen.
Ulrich Frommholds Bühnenbild schuldet in seiner Transparenz auch der Entscheidung Zoll, das Orchester auf die Hinterbühne zu stellen, so werden Überblendungen von Bildern dazu genutzt, dezent eine Atmosphäre zu verbreiten, ohne konkret zu werden. Ein durchsichtige Wand zu einem V auf die Drehbühne gestellt, einige Hocker, sorgen dabei für eine nötige Gliederung vor allem der Chorauftritte. Der oratorische Gestus der Musik entspricht der stilisierten Chorführung, wenige Aktionen sorgen für die dramaturgische Motivierung. Lediglich die Beziehung der titelgebenden Protagonisten wird mit schlichter Glaubwürdigkeit aufgeladen und auf die vorgezogene Vorderbühne platziert, der Akzent bleibt bei Musik und Text, was mehr ist, als ich bei anderen durch Überaktion und Geschichtsparallelen aufgeladenen Inszenierungen gesehen habe. Erst bei der Ballettmusik des dritten Aktes gerät die Regisseurin in die Versuchung einer Überbilderung, weniger wäre da mehr und dämpft den geschlossenen Eindruck bis zum Finale.
Musikalisch gelingt in Koblenz Beachtliches: Zwar wünschte man sich gerade in ersten Akt stärkere, dramatische Impulse von Joseph Bousso, doch die hintere Platzierung des Orchesters braucht die zelebrierte Sicherheit, sowohl für die Einsätze für Chor und Solisten, als auch für eine ausgewogene Klangdynamik zwischen den Kollektiven, und gerade das gelingt dem Dirigenten ganz ausgezeichnet. Der Klang des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie klingt gerade in den tiefen Stimmen etwas dumpf und dominierend, da wünscht man etwas mehr Mischung gerade von den hellen Streicherstimmen, doch die Spielkultur ist gut.
Mit Deniz Yilmaz gewann man einen beeindruckenden Tenor für den Samson, der nicht das genuin hochliegende Timbre eines französischen Sängers aufwies, doch mit bronzen baritonaler Lage gefiel, ohne die nötigen Höhenreserven vermissen zu lassen. Monica Mascus ist seit vielen Jahren eine der großen Stützen des Koblenzer Ensembles und fügt mit der Dalila ihren Partien eine neue Trumpfkarte hinzu. Die enormen Höhen der weitausschwingenden Tessitur dieser Rolle gelingen zwar nicht immer ohne Schlacken, doch die sinnliche, gesunde Mittellage und die profunden Tiefen klingen fantastisch. Beiden Sängern, doch vor allem der Mezzosopranistin, sei jedoch empfohlen, sich stimmlich auf der Vorderbühne manchmal zurückzunehmen, denn viel Kraft ist gar nicht nötig, das Koblenzer Haus zu füllen. Michael Mrozek gefällt als Oberpriester der Dagon durch männlich markante Baritonkultur. Jongmin Lims Bass als Abimelech ist gesanglicher Luxus. Evgeny Sevastyanov, Junho Lee, Juray Hollý und Christoph Plessers hinterlassen in den kleineren Partien ebenfalls gute Eindrücke. Die Chöre und Extrachöre des Koblenzer Theaters werden den großen Aufgaben in Saint-Saens‘ Oper unter Ulrich Zippelius Leitung mehr als gerecht. So hat das Koblenzer Haus einen sehr beeindruckenden Saisonstart hingelegt, der vom Publikum mit animierter Emphase aufgenommen wird.
Martin Freitag 19.9.14
Fotos: Matthias Baus für das Theater Koblenz