Meiningen: „Die Zauberflöte“ (2. Bericht)

Besuchte Vorstellung 19.06.2022, Premiere 17.06.2022

Märchen mit leichtem Überschwang

„Die Zauberflöte“ wird in Meiningen sehr humorvoll dargestellt, vielleicht etwas zu sehr, was jedoch nach wie vor herausragt, sind die Stimmen, die wie immer mehr als beeindrucken.

Das letzte Mal war ich mit meinen Freunden im Oktober 2020 in Meiningen, in der sehr schönen Aufführung vom „Märchen im Grand Hotel“. Und dann war praktisch kaum mehr ein geregelter Besuch möglich und so waren meine Freunde und ich mehr als glücklich, als wir wieder im voll besetzten Saal des herrlichen Theaters saßen. Die Rezensentin, Frau Inge Kutsche hat ja bereits ausführlich über die Premiere berichtet, so dass ich mich heute – für mich auf das Wichtigste bei einer Opern- oder Operettenaufführung – konzentrieren kann, die Sänger. Und hier kann man in Meiningen seit vielen Jahren, Gott sei Dank, aus dem Vollen schöpfen.

Ich persönlich, aber das ist ja das Schöne, dass es gerade in diesem Metier unterschiedliche Meinungen gibt, bin mit dieser Inszenierung nicht sehr zufrieden. Die vielen Gags sind zu umfangreich, die eigentliche Tiefe des Stücks wird mit lustigen Ideen förmlich überlagert und überspült und vor allem der arme Papageno muss seinem Pferd so viel Zucker geben, dass er einem fast schon leidtut. Sicher kann man das Stück zur „prall gefüllten Wundertüte“, wie es meine Kollegin ausdrückte, machen, aber wenn man zu viel in die Tüte hineinpackt, wirkt es überladen. Ich gebe gerne zu, dass ich etwas altmodisch bin, mir fehlt halt mein Glockenspiel, meine Zauberflöte – hier stehen sie stilisiert am Boden herum und werden ab und zu beleuchtet. Alles für mich zu bunt, zu schräg, zu abgehoben – und ja, auch zu wenig Mozart. Gut, das ist meine ganz private Auffassung (die im Bus zurück nach Bamberg aber von fast allen über 50 Mitreisenden geteilt wird). Dem Publikum im praktisch ausverkauften Haus jedoch hat es mehr als gefallen, prasselnder Beifall und viel Gelächter, ja sie sind von dieser Inszenierung sehr angetan.

Wenden wir uns jetzt jedoch dem eindeutig Positiven zu, der Musik und wie sie von Orchester, Chor und Solisten behandelt wird.

Sara-Maria Saalmann und Chor

Die Meininger Hofkapelle, für mich eines der besten Klangkörper in Deutschland, steht an diesem Nachmittag unter dem Dirigat von Harish Shankar. Und er gibt wieder einmal eine hervorragende Darbietung zum Besten. Mit leichter Hand führt er das gut aufgelegte Orchester durch alle Höhen und Tiefen der Partitur. Er arbeitet die unterschiedlichsten Töne eindrucksvoll heraus und ist auch den Sängern, wo es von Nöten ist, ein zurückhaltender Helfer. Die Hofkapelle lässt sich problemlos leiten und bringt wieder einmal eine eindrucksvolle Leistung auf die Bühne. Ja – und wie schon so oft müssen die Musik, das Orchester und die Sänger eine Inszenierung aus dem Feuer reißen – und das tun sie in bravouröser Art. Dieses Orchester ist einfach nur toll und ein herausragender Pluspunkt des Staatstheaters Meiningen.

Die gesanglichen Leistungen sind fast ausnahmslos, wie man es von Meiningen gewohnt ist, einwandfrei, eindrucksvoll und auf einem sehr hohen Niveau.

Sarastro wird von dem finnischen Bass Mikko Järviluoto dargeboten. Eindrucksvoll, mit vollmundigem, klangvollem, tiefschwarzem Bass versieht er seine Rolle würdevoll und durchschlagend. Auch gestalterisch gibt er der Figur die notwendige imposante Darstellung.

Als Tamino erleben wir den in Deutschland geborenen und in Nordkalifornien aufgewachsenen Rafael Helbig-Kostka. Sein heller, hoher, durchschlagskräftiger Tenor weiß mit stählernen Höhen und metallischem Einschlag zu gefallen und zu überzeugen, besitzt Schmelz und ein gefälliges Timbre. Auch spielerisch gibt er auf der Bühne eine gute Figur ab und weiß zu überzeugen. Sehr behend verkörpert er den liebestrunkenen Prinzen.

Sara-Maria Saalmann, Rafael Helbig-Kostka

Sara-Maria Saalmann gestaltet Pamina, die Tochter der Königin der Nacht. Die deutsch-spanische Sopranistin ist ein wahrer Glücksfall für Meiningen, denn erst seit dieser Spielzeit ist sie hier Ensemblemitglied. Vor Beginn der Vorstellung wird sie wegen einer stimmlichen Indisposition entschuldigt und man harrt der Dinge, die nun kommen. Mit strahlend leuchtendem, gefühlvollem und nuancenreichem Sopran weiß das zierliche Persönchen mehr als zu gefallen. Mit weichem Einsatz und Koloraturen, die wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind, bringt sie mit ihrem klangvollen, ausdruckstarken Sopran die Zuhörer zu Beifallsstürmen. Und man fragt sich, wo die Einschränkungen liegen. Es ist auch nicht im Geringsten ein stimmliches Problem zu erkennen, eine wunderschöne überzeugende Darstellung, dieser nicht unbedingt leichten Partie. Hoffen wir, dass sie noch recht lange in Meiningen bleiben wird.

Die Königin der Nacht wird gesungen von der blutjungen deutschen, in Passau geborenen Sopranistin Laura Braun. Sie debütiert mit dieser Rolle in Meinungen – und wie. Mit einer für ihr Alter unglaublich abgeklärten Leistung bringt sie das Publikum zum Kochen. Blitzsaubere Koloraturen, messerscharf abgeliefert, ohne jegliche Furcht vor der Höhe, so atemberaubend, dass man bei ihrem Vortrag praktisch die Luft anhält. Für eine Debütantin eine Spitzenleistung. Auch hier kann man nur hoffen, dass Meiningen erkennt, welches Juwel es hier besitzt und sie so schnell nicht wieder weglässt.

Johannes Mooser, der den Papageno gibt, ist in Marktoberdorf geboren, auch er ist das erste Jahr in Meiningen engagiert. Er besitzt einen weichen, durchschlagskräftigen und flexiblen Bariton, den er publikumswirksam einsetzt. Er bringt einen sympathischen Papageno auf die Bühne und kann gesanglich auf jeden Fall voll überzeugen. Leider sind die albernen Momente, für die er nichts kann, die ihm von der Regie aufgezwungen werden, in seinem Fall etwas zu umfassend und beeinträchtigen damit seine sonst sehr gute Leistung. Aber auch das ist wieder meine persönliche Meinung, das Publikum hat sich überwiegend auf die Schenkel geklopft. Auch er stellt auf jeden Fall eine Bereicherung des Meininger Ensembles dar.

Johannes Mooser, Stan Meus, Sara-Maria Saalmann

Als seine Papagena steht Monika Reinhard auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Die in Oberhausen geborene junge Sopranistin ist seit 6 Jahren am Staatstheater Meiningen. Die leider recht kleine Rolle gestaltet sie mit blitzsauberem, glockenhellem, weichem und leichtem Sopran, mit ihrem fröhlichen, kecken Spiel verzaubert sie nicht nur ihren Papageno. Ein rundum gelungener Auftritt.

Ein Urgestein aus Meiningen steht als Monostatos auf der Bühne. Der polnische Tenor Stan Meus, der seit fast 23 Jahren auf der Bühne in Meiningen agiert, kann auch hier voll überzeugen. Er setzt seinen hellen, klaren und energischen Tenor klangsicher ein und dass er darstellerisch und komödiantisch eine außergewöhnliche Begabung ist, weiß das Publikum in Meiningen zu schätzen und gibt ihm den wohlverdienten reichlichen Beifall.

Selçuk Hakan Tirasoglu ist als Sprecher eine beeindruckende Gestalt. Verstärkte durch riesige Schule füllt er (fast) die Bühne bei seinen kurzen Auftritten aus. Beeindruckend stimmgewaltig kann er, der sein Musikstudium in Ankara verbracht hat und ebenfalls die erste Spielzeit in Meiningen ist, entsprechende Akzente setzen.

Ganz hervorragend auch das doppelte Damenterzett. Einmal die drei Damen der Königin der Nacht, Deniz Yetim, Tamta Tarielashvili und Marianne Schechtel, die stimmlich ohne Fehl und Tadel, total aufeinander eingespielt und überzeugend agieren und so einen recht großen Teil zum positiven Eindruck dieser Aufführung beitragen. Dann die reizenden drei Knaben, voller Lausbubigkeit und Spielwitz in Gestalt von Sophia Greiwe, Eva Möritz und Siba Veran. Sie bringen das Publikum wirklich zum Schmunzeln und man merkt ihnen an, wieviel Spaß und Freude ihnen ihr Auftritt bringt – und das können sie auch zum Publikum transportieren

Pedro Arroyo und Tomasz Wija runden als 1. und 2. Geharnischter/Priester die Ensembleleistung voll deckend ab und alle erhalten zu Recht langanhaltenden verdienten Applaus.

Schlussapplaus mit Dirigent Harish Shankar

Manfred Drescher, 26.10.2020

Fotos 1 – 3 Marie Liebig; Foto 4 Eigenaufnahme