Bielefeld: „Zazà“, Ruggero Leoncavallo

Mit seinem „Bajazo“ hat Ruggero Leoncavallo einen Klassiker des Verismo komponiert, sein sonstiges Opernschaffen ist hingegen in Vergessenheit geraten, daran hat auch die Erfurter Aufführung der „Medici“ im Jahr 2013 nichts geändert. Nun erlebt „Zazà“ eine kleine Renaissance. 2020 hatte Christof Loy das Werk am Theater an der Wien inszeniert, was auch auf DVD dokumentiert wurde. Nun erlebte die Oper aus dem Jahr 1900 eine Neuinszenierung am Theater Bielefeld.

Eigentlich geht es hier um die unglückliche Liebesgeschichte der Varietesängerin Zazà mit dem verheirateten Geschäftsmann Milio Dufresne. Regisseurin Nadja Loschky verlegt die Tätigkeit der Titelfigur in den Zirkus, wo Zazà offensichtlich als Assistentin des Messerwerfers arbeitet. Der Zirkus wird in dieser Produktion zu einer Alternativ- und Fantasiewelt zum bürgerlichen Leben. Zudem kann Loschky so ein kleines Völkchen von Clowns, Artisten und Tänzern einbauen, die der Inszenierung eine nostalgisch-poetische Note geben.

(c) Bettina Stoess

Ein männlicher Regisseur müsste diese ganz unfeministische Geschichte, in der es nur darum geht, ob sich das sozial ungleiche Paar bekommt, wesentlich ambitionierte auf die Bühne bringen, um nicht mit einem politisch-korrekten-Shitstorm bedacht zu werden. Regisseurin Nadja Loschky belässt es aber dabei, die Geschichte sorgfältig und mit viel Gefühl zu erzählen. So gelingt ihr eine glaubwürdige und kitschfreie Inszenierung, in der man sich gut in das Schicksal der Figuren einfühlen kann.

Bühnenbildner Manuel La Casta hat für die Rahmenakte ein schönes Bühnenbild des Zirkusgeländes entworfen. Das soziale Gefälle der Figuren wird durch die Wohnungen im 2. und 3. Akt verdeutlicht. Von Zazàs Wohnung, wo sie mit Milio in wilder Ehe lebt, sehen wir einen kahlen Flur. Die Wohnung des Geschäftsmanns, wo dieser mit Frau und Tochter lebt, ist von warmen Farben und Holzvertäfelungen geprägt. Die Kostüme von Irina Spreckelmeyer unterstreichen gut das soziale und historische Kolorit.

Leoncavallo hat mit „Zazà“ eine bunte und glitzernde Partitur mit vielen tänzerischen Elementen komponiert, die gut ins Ohr geht. Zwar glüht die Musik nicht so stark wie die von Puccini, aber trotzdem erlebt man in Bielefeld eine gelungene Mischung aus Schmalz und Herzschmerz, bei der man sich wundert, warum sie in Vergessenheit geraten ist. Am Pult der Bielefelder Philharmoniker dirigiert GMD Alexander Kalajdzic eine geschmeidige und geschmackvolle Aufführung. Im Forte wird er aber manchmal zu lärmend.

In dieser Oper gibt es immer wieder originelle musikalische Stellen, die aufhorchen lassen: Wenn Zazà Milio bittet, ihr beim Entkleiden zu helfen, illustriert Leoncavallos, das mit einem lasziven Geigen-Glissando. Milios noble Pariser Wohnung wird mit einem Idyll aus Flöte und Harfe vertont. Besonders stark ist die Szene, in der Zazà Milios Tochter Toto begegnet und ein Dialog sich zwischen der singenden Zazà und dem sprechenden Kind entwickelt. Mira Balci spielt die Toto mit großer Ernsthaftigkeit und Überzeugungskraft.

(c) Bettina Stoess

Die Titelrolle singt Dusica Bjelic mit kräftigem Sopran, der allerdings mehr Lieblichkeit und Lyrik bräuchte, um die Partie mit letzter Überzeugungskraft zu vermitteln. Der Tenor von Nenad Cica, der den Milio singt, ist nicht die größte Stimme der Welt. Der Sänger setzt sein Material aber klug und sicher ein und weiß dabei, wie er die Höhepunkte der Musik gut zur Geltung bringt. Zazàs Mutter Anaide wird von Enkeleida Shkoza mit dramatischem Mezzo geschmettert. Die Sängerin, die schon in der Wiener Produktion dabei war, dreht hier aber oft so stark auf, als würde eine Azucena singen.

Insgesamt ist diese Oper eine lohnende Entdeckung, die zudem sehr gelungen präsentiert wird. Da wünscht man sich, dass die Theater noch weitere Opern von Leoncavallo auf die Bühne bringen: So gibt es nicht nur seine musikalische Sicht auf „La Boheme“, sondern auch die Preußenoper „Der Roland von Berlin“ und sogar einen „König Ödipus“.

Rudolf Hermes, 8. Juni 2023


Ruggero Leoncavallo

„Zazà“

Theater Bielefeld

Premiere: 3. Juni 2023

Musikalische Leitung: Alexander Kalajdzic

Regie: Nadja Loschky

Bühne: Manuel La Casta

Kostüme:  Irina Spreckelmeyer

Bielefelder Philharmoniker