Hildesheim: „Closer Than Ever“

Premiere am 05. Januar 2017

Song-Collage

Das „Musical“ „Unfassbar nah“ (im Original „Closer Than Ever“) wurde 1989 am Off-Broadway-Theater Cherry Lane erfolgreich uraufgeführt. Das eher als Revue oder Song-Collage zu bezeichnende Stück erhielt nach einem Jahr den Outer Critics Circle Award und ging auf Erfolgstour in Amerika, u.a. in New York, Washington D.C. und Chicago. 2006 gelangte es nach London und hatte 2010 in Hamburg Deutschland-Premiere in der deutschen Übersetzung von Nina Schneider. Der Textdichter Richard Maltby Jr. und der Komponist David Shire kannten sich schon zu Studienzeiten und hatten schon in den 70er Jahren gemeinsam einige Musicals und Revuen geschrieben, aus denen der eine oder andere Song hier mit eingebaut werden konnte. „Unfassbar nah“ unterscheidet sich jedoch von einem „normalen“ Musical dadurch, dass es eine lose Zusammenstellung von kurzen Szenen aus dem menschlichen Alltag ist. So hörte man in der Pause von einer enttäuschten Dame: „Das ist ja gar keine richtige Geschichte!“

Jürgen Brehm/Jens Krause/Teresa Scherhag/Sandra Pangl

Das Autorenteam griff auf die teils amüsanten, teils traurigen Lebenserfahrungen von Freunden und Bekannten sowie ihre eigenen zurück. Sie wagten den Schritt durch Türen, hinter denen sich meist im Verborgenen die ganz trivialen Freuden oder Probleme des Alltags abspielen, und präsentierten einen bunten Bogen von Liebe, Leid, Wut und Eifersucht, wobei sich bei den Protagonisten Fragen ergeben wie: Wer bleibt heute bei dem Baby? Wie gehe ich mit Liebeskummer um? Wie erreiche ich meine Idealfigur? Quintessenz des Ganzen ist, dass das Leben mit dem Alter besser wird, man näher zusammenrückt. David Shire unterstützte die unterschiedlichen Themen durch passende musikalische Stile von Disco-Sound über Fandango und Jazz bis zur Musical-Ballade.

Andreas Unsicker/Jens Krause/Teresa Scherhag/Jürgen Brehm

Lars Linnhoff war die Inszenierung dieser abwechslungsreichen Song-Collage anvertraut, der die vier Protagonisten lebendig auf der Vorbühne bzw. dem verdeckten Orchestergraben agieren ließ. Dort hatte Hannes Neumaier mit verschiedenen Höhenstufen eine leicht bespielbare Fläche geschaffen, die auch den direkten Kontakt zum Publikum ermöglichte. An Klavier und Elektronik leitete Andreas Unsicker umsichtig den Abend, teilweise unterstützt von E-Bass, Gitarre, Klarinette und Saxophon, Instrumente, die die Darsteller der Musical-Truppe gut beherrschten. Jürgen Brehm, Jens Krause, Sandra Pangl und Teresa Scherhag schlüpften in die unterschiedlichen Figuren und Charaktere der kleinen Szenen. Nach dem Eröffnungslied „Türen“, das die vielen Varianten einmal vorweg zusammenfasste, waren weitere Bonbons des 1.Teils „Sie liebt mich nicht“ (Brehm/Scherhag), „Ein Rendezvous“ nach Speed-Dating-Art, die erotische „Frau Spatz“ (S.Pangl), „Drei Freunde“ und „Einer der Guten“ (J.Krause).

Sandra Pangl/Jürgen Brehm/Teresa Scherhag

Die herrlichen Turnübungen der vier zur Eröffnung des 2.Teiles machten dem Titel „Es ist das Beste“ alle Ehre. Das ebenfalls erfolgreiche „Ein etwas anderes Hochzeitslied“ (Pangl/Krause) nach dem Motto ‚Du bist meine erste zweite Frau‘ basiert auf der zweiten Ehe des Textdichters. Besonders eindringlich gelangen „Der Marsch der Zeit“, aus dem man nie ausbricht, und schließlich „Immer noch näher“ mit der Aussage, dass gemeinsames Überwinden von Schwierigkeiten mehr Nähe schafft.

Die Hildesheimer Musical-Compagnie zeigte einen ausgezeichneten Bilderbogen menschlicher Schwächen und Stärken, der vom Publikum zu Recht mit lang anhaltendem Beifall bedacht wurde.

Marion Eckels 06.01.2017

Bilder (c) TfN / Clemens Heidrich

Weitere Vorstellungen: 7./12./20./28.1. und 1./7.4.2017 und an anderen Orten

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