
Im Alten Testament wird unter anderem im ersten und zweiten Buch der Könige über den Propheten Elija berichtet. Dieser soll im 9. Jahrhundert v. Chr. zur Zeit der Könige Ahab und Achazja gelebt und gewirkt haben. Zeitlebens kämpfte er gegen den Baalskult und für den Glauben an den einen und wahren Gott JHWH. Die Geschichten um diesen Propheten faszinierten auch Mendelssohn, der sich bereits Mitte der 1830er Jahre intensiv mit dem Thema beschäftigte. Als er 1845 für das Birmingham Triennial Music Festival ein neues Oratorium schreiben sollte, griff er daher gerne auf diesen Stoff zurück. Nach der Uraufführung im August 1846 folgte rund ein Jahr später die deutsche Erstaufführung in der Berliner Singakademie. Bis heute zählt das Elias-Oratorium zu den bekanntesten Werken Felix Mendelssohn Bartholdys. Das liegt sicher an der musikalischen Qualität des Werkes, aber auch daran, dass die Geschichte des Elias die Menschen bis heute zu fesseln vermag. Ein Mann, der dem König und der Königin als Strafe eine mehrjährige Dürre ankündigt, die er selbst in der Wüste dank der von Gott gesandten Raben überlebt, klingt aus heutiger Sicht wie der Stoff für einen Fantasy-Film. Auch die Teilung des Jordanwassers, um trockenen Fußes das Flussbett zu durchqueren und anschließend auf einem feurigen Wagen in den Himmel zu fahren, klingt nicht weniger phantastisch. Doch nicht nur die Schilderungen von Sturm, Erdbeben, Flut und Feuer werden von Kobie van Rensburg bildgewaltig in Szene gesetzt. Die gesamte Aufführung ist ein in sich stimmiges visuelles Gesamtkunstwerk, das allein schon einen Besuch wert ist.

Neben den beeindruckenden Videoprojektionen zeichnet sich van Rensburg auch für das Bühnenbild, die Kostüme und natürlich die gesamte Inszenierung verantwortlich. Er verlegt die Handlung hierbei in die fiktive Stadt Zion während der historischen „Dust Bowl“-Klimakatastrophe der 1930er Jahre in den amerikanischen Südstaaten. Innerhalb weniger Jahre verwandelte sich dort einst fruchtbares Ackerland in eine riesige „Staubschüssel“. In der szenischen Umsetzung des Oratoriums macht Elias nun die Zion Water Company für die schwere Dürre verantwortlich. Aufgrund ihrer schwierigen Situation sind viele Menschen bereit, sich – angespornt durch Elias‘ Aufrufe – auch mit Gewalt zu widersetzen. Generell ist die alttestamentliche Geschichte von Elias sehr gewaltverherrlichend, was Kobie van Rensburg in seiner Inszenierung geschickt aufgreift und dieser Thematik mit dem von Elias wiedererweckten Kind der Witwe eine Figur entgegensetzt, die die Erwachsenen fragt, warum es immer so viel Gewalt geben muss. Auch die in der Inszenierung aufgeworfene Frage nach objektiver oder subjektiv empfundener Wahrheit ist in Zeiten von Fake News aktueller denn je. Diese Thematik ist geschickt in die Videoprojektionen integriert, ohne von der eigentlichen Handlung abzulenken.

Wie bereits erwähnt, gibt es an diesem Theaterabend für das Auge viel zu entdecken. Doch damit nicht genug. In diesem Fall wird der optische Aspekt mit einem musikalischen Hochgenuss kombiniert. Der Opernchor und Extrachor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach wurde um den Niederrheinischen Konzertchor und den Crescendo Chor Krefeld erweitert, so dass stellenweise weit über 100 Stimmen gleichzeitig erklingen und die bombastischen Chorwerke von Felix Mendelssohn Bartholdy stimmgewaltig umsetzen. Hochkarätig besetzt sind auch die Solisten, allen voran Rafael Bruck in der Titelpartie, der dem Propheten Elias mit kraftvoller und stets angemessener Stimme Glanz verleiht. Ihm zur Seite stehen der Tenor Woongyi Lee als junger Prediger Obadjah und Sofia Poulopoulou als Witwe und zukünftige Gefährtin des Elias, die ebenfalls wesentlich zum musikalischen Erfolg des Abends beitragen. In den kleineren Rollen sind Eva Maria Günschmann als Königin Isebel sowie die vier aktuellen Mitglieder des Opernstudios Niederrhein, Bettina Schaeffer und Antonia Busse als Heilsarmeeschwestern, Arthur Meunier als König Ahab und Jeconiah Retulla als Diakon, zu erleben. Aus dem Orchestergraben sorgen die Niederrheinischen Sinfoniker unter der musikalischen Leitung von Giovanni Conti für einen voluminösen Klang, der seinesgleichen sucht. So ist es nicht verwunderlich, dass sich das Publikum der zwar nicht ausverkauften, aber sehr gut besuchten Premiere unmittelbar nach dem letzten Ton von den Sitzen erhob und allen an der Produktion beteiligten Künstlern einen fast zehnminütigen, von Bravorufen durchzogenen Applaus spendete.

Und in der Tat kann man diese szenische Inszenierung eines musikalischen Meisterwerks jedem Opern- und Theaterfreund nur wärmstens empfehlen. Selten begegnet man Musik und Bühnenbild in einer solchen Kombination wie hier. Nach rund zweieinhalb Stunden verlässt man rundum zufrieden den Theatersaal und fragt sich noch auf dem Heimweg, wann man zuletzt eine derart stimmige Inszenierung und musikalische Meisterleistung aller Akteure an einem Abend erleben durfte!
Markus Lamers, 26. Januar 2025
Elias
Szenische Aufführung des Oratoriums von Felix Mendelssohn Bartholdy
Theater Krefeld
Premiere: 25. Januar 2025
Inszenierung: Kobie van Rensburg
Musikalische Leitung: Giovanni Conti
Niederrheinische Sinfoniker
Empfehlenswertes Interview mit dem Regisseur.
Weitere Aufführungen: 2. Februar, 16. Februar, 14. März, 16. März, 22. April, 17. Mai