Wuppertal: „Tristan und Isolde“, Richard Wagner

(c) Matthias Jung

Eine Seefahrt, die ist lustig, aber nicht bei Richard Wagner. Das Drama utopischer Erotik von Tristan und Isolde beginnt auf der Irischen See. Bei der Premiere am 22. Oktober 2023 im Barmer Opernhaus wogte dazu eine Sturmflut per Video in Zeitlupe auf der Rückwand der Bühne. Richard Wagner hatte schon im Fliegenden Holländer das Leben als gefährliche Seefahrt begriffen, nachdem er im Unwetter vor Norwegen bei der Flucht vor Gläubigern aus Riga Schiffbruch erlitten hatte. Jetzt ist das Wetter zwar besser, aber mit der berühmten Homonymität „Wehe du Wind“ und „wehe mein Kind“ beginnt die existentielle Beziehung des Liebespaars: Isolde liebt Tristan, den sie von einer Verletzung mit vergiftetem Schwert das Leben rettete, als der ihren Verlobten umgebracht hatte. Jetzt muss er sie seinem König Marke von Cornwall zur Hochzeit bringen. Musikalisch beginnt zwischen beiden eine unmögliche Beziehung, laut Anweisung in der Partitur „langsam und schmachtend“ im Pianissimo. „Zaghaft“, alles andere als „eilend“ sucht sich die Musik in unbestimmter, vieldeutiger Harmonik zu orientieren und kündigt die Moderne, das Ende der Tonalität an. Ohne Musik wäre laut Nietzsche bekanntlich das Leben ein Irrtum und, schlimmer, die Dreiecksgeschichte von Tristan, Isolde und König Marke banal. Intensiv hatte Richard Wagner Arthur Schopenhauer gelesen, diesen misanthropen Pudelliebhaber, der glaubte in der Musik „unendliche Wünsche, unendliche Befriedigung, unendliche Schmerzen“ erleben zu können. Richard Wagner, da er im Leben nie das große Glück der Minne genossen hat, wollte er mit dem „Tristan“ dem „schönsten seiner Träume ein Denkmal setzen“ (Brief an Franz Liszt am 16. Dezember 1854), verliebte er sich doch im Alter von ca. 40 Jahren in die junge, verheiratete, aus Elberfeld stammende Mathilde Wesendonck. Für sie komponierte er ihre Gedichte zu Liedern, vielleicht seinen besten Kompositionen.

(c) Matthias Jung

Die Affäre „mit seiner ersten und einzigen Liebe“(?) endete am 17. August 1858. Ergänzend dazu entstand „Tristan und Isolde“. Im 1. Akt auf dem Schiff nach Cornwall will Isolde Tristan, obwohl verliebt, mit einem Gifttrank umbringen, der aber von ihrer Dienerin Brangäne mit einem wirklich starken Liebestrank vertauscht wird, was auch immer im „Trank ohne Wank“ enthalten war. Mord und Leidenschaft liegen dicht nebeneinander, damals wie heute. Auf der Bühne sieht man hinter einem aus drei Segeln angedeutetem Schiffsbug die See in Beleuchtung wie bei William Turner. Stephanie Müther mit großem stimmlichem Ausdruck, eindrucksvoller Kraft und Subtilität im Piano ist bei der Premiere für die akute erkrankte Kirstin Sharpin eingesprungen. Sie kam mit Erfahrungen von der Oper Chemnitz bis hin nach Japan, war 2022 in Dortmund 2022 als Brünhilde und Tosca und in Bayreuth als Ortrud zu hören, also mit Wagner vertraut, was dem „Tristan“ in der Barmer Oper auch guttat.

(c) Matthias Jung

Das sommernächtliche Rendezvous im Schloßpark bei König Marke, zunächst durch eine goldene Pforte verschlossen, betört beide. Die hohen Bäume und Pflanzen wachsen um sie herum als Videokulisse auf. Hörnerschall in der Ferne hinter der Bühne stört nicht die leise Tremolo-Intimität, wenn im ppp die „Nacht der Liebe hernieder sinkt“. Da ging bei synkopal verschobenen Triolen die kammermusikalisch zarte Musik mit glänzenden Soli der Holzbläser oder der Solovioline direkt aufs Herz. Endlich milderte die Harfe die Unsicherheit des Tristanakkords, bevor das ekstatische Liebespaar von Melot (Jason Lee) in flagranti ertappt wird, der sie an König Marke verrät. Der schwerverletzte Tristan kann von Kurwenal (Martijn Sanders mit sonorem, leicht sprödem Bariton) gerettet und nach Kareol gebracht werden. Dort kämpfte der wagnererfahrene Samuel Sakkers, der diese Rolle schon in Nancy gesungen hat, lange mit dem Tod. Seine „Tagesgewitter im Kopf“ wurden per Video auch für das Publikum Realität, wenn er in psychedelisch euphorischer Trance inständig hofft, Isolde noch mal zu sehen. In dieser langen und anstrengenden Szene kam seine schöne Stimme an ihre Grenzen und es bewahrheitete sich die Äußerung von Rossini, der von wundervollen Momenten aber langen Viertelstunden bei Wagner gesprochen hat. Kurwenal hat ein Schiff zu Brangäne geschickt. Sie kommt, findet aber Tristan tot vor. Damit ist aber noch nicht Schluss. Denn es erscheinen König Marke mit Gefolge und Brangäne, die ihm den Liebestrank verraten hat, er also an der Treue seines lieben Tristan nicht mehr zweifeln muss. Marke will beiden verzeihen.

Johannes Vesper, 26. Oktober 2023

Dank an unsere lieben Freunde von MUSENBLAETTER.de (Wuppertal)


Tristan und Isolde
Richard Wagner

Wuppertaler Bühnen

Besuchte Premiere 22. Oktober 2023

Konzept und Regie Video: Martin Andersson
Regie Bühne: Edison Vigil
Dirigat: Patrick Hahn
Sinfonieorchester Wuppertal