CD: „Il trionfo della fama“, Francesco Bartolomeo Conti

Da kommt man frisch aus Wien zurück – und im Briefkasten liegt eine brandneue CD mit der Aufnahme des Werks eines Wiener Komponisten. Man hört hinein und denkt sich: Wunderbar, das ist typisches Barock – und noch ein wenig besser.

Francesco Bartolomeo Conti gehörte zu den vielen Italienern, die im 17. und 18. Jahrhundert gen Norden zogen, um im Habsburgerreich Karriere zu machen: als ausübende Musiker wie als Komponisten. Vielleicht liegt die besondere Güte der Ersteinspielung des Trionfo della fama an eben dieser Qualifikation: dass Conti als erster Theorben Spieler der Wiener Hofkapelle, der in der Kaiserstadt seit 1708 seinen Dienst versah, wusste, was er da komponierte und zu komponieren hatte, als es galt, die Ohren eines ermüdeten Publikums zu kitzeln. Der durchreisende Johann Joachim Quantz, später Hofkomponist und -Flötist beim Preußenkönig Friedrich II., rühmt ihn in seiner Autobiographie als „einen der größten Theorbisten, die jemals gewesen“ seien – als Componist schien er ihm „erfindungsreich und feurig“, wenn auch „etwas bizarr“. Gut so! Denn es sind genau jene Bizarrerien, die einen Quantz unangenehm erregen konnten und heute noch zu wirken vermögen. Schon die Sinfonia ist ein herzhaft zupackendes Stück, bevor der Eingangschor, analog zum Schlusschor, wirklich vital in die Ohren klingt und manch Instrumentalsolist in den Arien glänzen darf. Wo hört man sonst so einen quicken Fagottbass wie bei Conti? Kein Wunder, dass sich der pfiffige Telemann ein Vorbild an Conti nahm, dessen „wendiger Stil mit den knappen Orchestermotiven, Tonwiederholungen und gebrochenen Oktaven“ (Ulrich Schreiber) auch in deutschen Landen auf fruchtbaren Boden fiel. Mag auch keines der in knapp 30 Jahren entstandenen 33 Bühnenwerke und halbszenischen Opera in der Bibel des Opernfreundes, also Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Eingang gefunden haben, muss zumindest auf die komische Oper Don Chisciotte in Sierra Morena hingewiesen werden, mit der der Florentiner die bereits zur Floskel gewordenen Wörter der Opera seria durch den Kakao zog.

2005 hat Réne Jacobs die Köstlichkeit bei den Innsbrucker Tagen für Alte Musik dirigiert; 2024 ging dort eine konzertante Aufführung des Trionfo della Fama über die Bühne. Die Aufnahme liegt nun vor: eine Ersteinspielung eines halb- bis viertelszenischen Werks, einer typischen Serenata, wie sie am Wiener Kaiserhof üblich war, in dem nicht allein Johann Joseph Fux erstrangige Werke schuf. Der Triumph des Ruhms ist eine Art Entsprechung zum bekannteren Großwerk Costanza e Fortezza, die Werke beider Komponisten wurden 1723 nicht in Wien, sondern in Prag uraufgeführt: zur Krönung Kaiser Karls VI. zum böhmischen König. Der Zweck der politischen Propaganda heiligte alle Mittel eines Theaters, das auf äußere Dramatik wenig, auf Huldigungskünste alles gab. Wer sich in der Welt der Barockoper auskennt, wird in Contis Werk jedoch nichts vermissen. Die Abfolge der zehn Arien und Rezitative, gekrönt von einem Duett, eingerahmt von den beiden, wie gesagt: sehr bewegten Chören, ist durchaus unterhaltsam, auch wenn man den wie üblich hypertrophen Huldigungstext des Francesco Fazio ignoriert, was man nicht tun sollte, auch wenn die (von heute aus gesehen) peinliche Panegyrik angesichts der kaiserlichen Schwäche(n) offen zutage tritt. Die Pragmatische Sanktion, mit der seine Tochter Maria Theresia auf den Thron gehievt werden konnte, war des Kaisers bedeutendste Leistung… So besingen der Ruhm, die Tapferkeit, der Genius (Karls VI. persönlicher Schutzgeist) und das Schicksal unter der Leitung der Herrlichkeit den Helden, um noch Asien, Afrika und Amerika sowie die gesamte andere Welt zu glücklichen Untertanen des absolutistischen Herrschers zu ernennen.

Geadelt werden die Allmachtsträume von einer Musik, die sich auf Details und auf große Bögen, auch auf die Farben der Instrumente (inkl. Theorbe, Laute, Orgel, Oboe, Fagott und natürlich huldigungsgerechte Pauken und Trompeten) versteht. Nicht allein die tiefen Holzbläser haben Eigenständiges beizutragen, wenn sich die Linien kreuzen. Realisiert wird die Partitur von der hinreißend und bewegt aufspielenden Accademia Bizantina, die unter Ottavio Dantone wieder einmal ihren Ruf als eines der besten Ensembles der die Historisch informierten Aufführungspraxis beweist. HIP: so heißt, das passt, auch eine witzige französische TV-Serie, in der es um eine quirlige High Intelligent Person geht. Il trionfo della Fama ist in erster Linie eine virtuose Serenata, die von exzellenten Instrumentalisten und Sängern gemacht werden sollte; mit dem samtig singenden Counter Nicolò Balducci (als titelgebende Fama), dem Mezzo Sophie Rennert (als Gloria), dem Alt Benedetta Mazzucato (als Genio), dem Tenor Martin Vanberg (als Destino) und dem großartig artikulierenden Bassisten Riccardo Novaro (als Valore) hat Dantone ein auserlesenes Ensemble versammelt, das die lobhudelnden Texte mit aller nötigen Inbrunst und stimmlichen Delikatesse exekutiert. Das Chorduo NovoCanto & La Stagione Armonica gibt die beiden Chorsätze hinzu, die, anders als viele andere Opern- und Serenaten Chöre der Epoche, vom ersten bis zum letzten Takt interessieren, weil der Komponist mit seiner ganzen „Bizarrerie“ den Ton traf, der so spannend ist, dass Contis Name, über die wenigen vorliegenden Aufnahmen und Mitschnitte hinaus, endlich aus der Versenkung der Musikgeschichte herausgeholt werden sollte.

So betrachtet, könnte das periphere und ephemere Werk eine Einstiegsdroge für all jene bedauernswerten Opernfreunde sein, die der Musik des 17. und frühen 18. Jahrhundert noch nichts oder nur wenig abgewinnen können. Dem Ruhm des Francesco Bartolomeo Conti dürfte eigentlich – und uneigentlich – nichts mehr im Wege stehen: vorausgesetzt, Könner wie die Accademia Bizantina und die erwähnten Sängerinnen und Sänger stehen stimmschön und affektreich am Mikrophon.

Frank Piontek, 26. Juni 2025


Francesco Bartolomeo Conti: Il trionfo della fama
Accademia Bizantina

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