Deutsche Oper Berlin: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2023/24“

Auch in diesem Jahr haben wir unsere Kritiker wieder gebeten, eine persönliche Bilanz zur zurückliegenden Saison zu ziehen. Wieder gilt: Ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen.

Nach dem Staatstheater Braunschweig blicken wir heute auf die Deutsche Oper Berlin.


Woran mag es liegen, dass man in den noch gar nicht so lange zurückliegenden Spielzeiten in der Deutschen Oper Berlin gequält wurde mit endlosen Agit-Prop-Einlagen in La Forza del Destino, mit einem schwer gestörten Vater-Tochter-Verhältnis in Simon Boccanegra, Badelatschen für Hans Sachs und mit Naziuniformen in Arabella, und plötzlich in der gerade zu Ende gehenden Spielzeit der Rückblick auf ein durchaus humorvolles Intermezzo fällt, eine Pique Dame und eine Anna Bolena mit zumindest teilweise historischen Kostümen, ein Trittico, in dem die Madonna keine Kettenraucherin ist? Ist es die Einsicht gewesen, dass man in mit Corona, Gaza, Ukraine, Teuerung schwer belasteten Zeiten dem Publikum nicht auch noch zusätzlich das gar nicht vom jeweiligen Komponisten, sondern erst von der Regie beabsichtigte Elend um die Ohren hauen darf? Aber nicht nur ansehnliche Neuproduktionen, sondern der große Schatz des Hauses, das umfangreiche Repertoire, trugen zu einer gelungenen Spielzeit bei, die Uralt-Schätze Tosca, Lucia di Lammermoor und La Gioconda, letztere allerdings leider zum letzten Mal. Sie waren einst mit den Stars Leonie Rysanek, Edita Gruberova, Hausprimadonna Pilar Lorengar besetzt, die heutigen Stars allerdings scheinen eher einen Bogen um die Deutsche Oper zu machen, keine Netrebko, kein Kaufmann, schon seit langem nicht mehr.

Beste Produktion:
Pique Dame.

Größte Enttäuschung:
Die endgültige Absetzung von La Gioconda.

Entdeckung des Jahres:
Written on Skin zumindest für Berlin.

Beste Wiederaufnahme:
La Gioconda.

Beste Gesangsleistung (Hauptrolle):
Klaus Florian Vogt als Parsifal.
Doris Soffel in Pique Dame.

Beste Gesangsleistung (Nebenrolle):
Anna Schoeck in vielen unterschiedlichen Partien, u.a. in Intermezzo und in Il Trittico.

Bester Nachwuchssänger:
Sua Jo in mehreren unterschiedlichen Partien.

Bestes Dirigat:
Donald Runnicles in Parsifal.

Beste Regieleistung:
Tobias Kratzer Intermezzo (aber es war nicht nett, die ehrbare Pauline des Ehebruchs zu beschuldigen).

Beste Chorleistung
Jeremy Bines in Parsifal.


Die Bilanz zog Ingrid Wanja.