Düsseldorf: „Maria Stuarda“

Premiere in Duisburg: 15.12.2017
Wiederaufnahme in Düsseldorf: 19.12.2018
besuchte Vorstellung: 30.12.2018

Lieber Opernfreund-Freund,

seit rund zwei Wochen ist die in der vergangenen Spielzeit am Schwesternhaus in Duisburg aus der Taufe gehobene Produktion von Gaetano Donizettis Königinnendrama Maria Stuarda nun an der Heinrich-Heine-Allee in Düsseldorf zu sehen und nicht zuletzt Dank der Top-Besetzung der beiden Königinnen gerät die Interpretation von Guy Joosten zum stimmgewaltigen Zickenkrieg, der begeistert.

Der Niederländer ist nicht zum ersten Mal an der Rheinoper mit einer Umsetzung betraut und vermag es auch diesmal, durch Konzentration auf das Wesentliche und starke Symbolismen einen spannenden Opernabend zu präsentieren. Er verlegt das Geschehen in einen Gefängnistrakt des Hier und Heute, von der Empore eines Halbrunds, das Roel van Berckelaer gebaut hat, gehen Zellentüren ab, das Ensemble ist im zweiten Akt zusätzlich mit Besucherraum samt Snackautomat ausgestattet. Die heutiger Gesellschaftskleidung entsprechenden Kostüme von Eva Krämer werden seitens der Königinnen durch historisierende Gewandung ergänzt. Dieser Kontrast schafft schon optisch eine Konzentration auf die beiden Damen, die sich historisch verbürgt nie begegnet sind. Die eine trägt royales Blau, die andere gedecktes Bordeaux, das sich im Schlussbild zusammen mit dem durchdachten Licht von Stefan Bolliger, das auch während der kompletten Aufführung immer wieder für passende Atmosphäre sorgt, in knallendes Blutrot wandelt. Von Anfang an scheint bei Guy Joosten alles auf das unausweichliche Ende Marias zuzulaufen, die Liebesbeziehung zu Leicester wird zur Nebensache – im Zentrum dieses szenisch gelungenen Nachmittags stehen eindeutig die beiden Damen, die sich ein veritables Stimmduell liefern.

In der Titelrolle glänzt Adela Zaharia, die mich in Farbe, Ausdruck und Beweglichkeit an die junge Anna Netrebko erinnert. Scheinbar mühelos liefert die junge Rumänin halsbrecherische Koloraturen ab und verfügt überdies über eine gehaltvolle Mittellage, die dunkel timbriert ist und über große Ausdruckskraft verfügt. Ihren Gegenpart übernimmt Maria Kataeva, ebenfalls Ensemblemitglied – und auch die spart sich nichts, stattet ihren so satten wie geläufigen Mezzo von Beginn an mit bedrohlichen Farben aus, zeigt sich koloraturenfreudig und kampfeslustig und läuft im Duett mit ihrer Widersacherin im Finale des ersten Aktes, das – was für ein Glück für jeden Zuschauer – geradezu zum Duell gerät, zu Höchstform auf. Die Damenriege wird durch den viel Wärme verströmenden Mezzo von Karina Repova komplettiert, die eine hingebungsvolle Anna Kennedy ist.

Gegen so viel Frauenpower haben die Herren einen schweren Stand, schlagen sich aber wacker. Shalva Mukerias Tenor verfügt über eine metallisch klingende Höhe und eine gewisse Leichtigkeit und so stemmt er – als einziger Gast – die Partie des Leicester ohne erkennbare Anstrengung. Bogdan Talos gibt mit so gefühlvollem, innigem und durchdringendem Bass den Vertrauten Talbot und ist für mich der überzeugendste im Reigen der Herren, während Richard Šveda sich scheinbar erst freisingen muss, in der ersten Hälfte kaum zu hören ist, bis er rechtzeitig zum großen Duett mit Elisabetta nach der Pause die volle Durchschlagskraft seines kultiviert klingenden Baritons zeigt.

Die Damen und Herren des Chores leisten Großes am gestrigen Nachmittag, Gerhard Michalski hat sie hörbar intensiv auf den umfangreihen Part vorbereitet. Zusammen mit den Musikerinnen und Musikern der Düsseldorfer Symphoniker, die bei Antonino Fogliani in besten Händen sind, bereiten sie die Klangkulisse, auf der sich das auf wenige Handelnde reduzierte Drama abspielen kann. Der italienische Dirigent spornt sein Orchester zu Höchstleistungen an mit seinem beschwingten und engagierten Dirigat und so wird’s ein toller Nachmittag, der im voll besetzten Haus ausgiebig und begeistert beklatscht wird. Für mich war’s ein würdiger Abschluss eines Opernjahres – wenn es so 2019 weiter geht, kann ich mich nur freuen.

Ihnen, lieber Opernfreund-Freund, wünsche ich einen guten Rutsch und ein wunderbares 2019, das vor spannenden, wunderbaren, begeisternden Opernabenden nur so strotzen soll.

Ihr Jochen Rüth 31.12.2019

Die Fotos stammen von Hans Jörg Michel